Folgen der Klimakrise: Das unbezahlbare Gut

Die Flutkatastrophe im Westen Deutschlands zeigt: In der Klimakrise ist nicht das Geld knapp. Vielmehr mangelt es an ausreichend Handwerkern.

Ein Dachdecker arbeitet auf einem Dach

Bei der Bewältigung der Klimakrise braucht es keine PR-Berater – sondern Handwerker Foto: Harald Tittel/dpa

Die Normalität ist zurück. Der Schock war nur kurz, den die Fluten in Rheinland-Pfalz und in Nordrhein-Westfalen ausgelöst haben. Die Klimakrise ist nicht das entscheidende Thema im Wahlkampf geworden, denn – so zynisch es ist – die meisten Wähler wissen ganz genau, dass sie nicht direkt neben einem Fluss leben, der über die Ufer treten könnte. Es gibt Mitleid mit den Opfern, auch Hilfsbereitschaft, aber keine eigene Betroffenheit.

Trotzdem war die Flut mehr als ein lokales Ereignis, das vor Ort großes Leid ausgelöst hat. In den vergangenen drei Wochen haben sich Handlungsmuster herausgeschält, die Vorboten sind, wie künftig mit der Klimakrise umgegangen werden dürfte. Manches ist absolut offensichtlich. Dazu gehört, dass die Warnketten verbessert werden müssen. Nie wieder dürfen mehr als 180 Menschen sterben, obwohl die Regenmassen genau vorhergesagt waren.

Doch so zwingend Warnsysteme sind: Sie werden auch künftig nicht verhindern, dass die Klimakrise enorme materielle Schäden hinterlässt. Das jetzige Hochwasser wird allein in Nordrhein-Westfalen einen „zweistelligen Milliardenbetrag“ kosten, wie die Landesregierung am Donnerstag schätzte.

In Rheinland-Pfalz dürften die Verwüstungen mindestens ebenso teuer sein. Versichert ist davon nur ein Bruchteil: Die Versicherungskonzerne nehmen derzeit an, dass sie etwa 5 Milliarden Euro an die Flutopfer im Westen ausschütten werden.

Flutkosten werden steigen

Die Frage ist also: Wer übernimmt den Rest? Ein Teil der Kosten wird automatisch beim Staat landen, weil er dafür zuständig ist, die zerstörten Straßen, Brücken und Bahntrassen wieder herzurichten. Doch die Schäden an Häusern, Feldern, Weinbergen und Firmen sind damit noch nicht abgedeckt.

Die Kanzlerkandidaten erwecken den Eindruck, als würde für die Betroffenen umfassend gesorgt. CDU-Chef Laschet versprach jüngst im Flutgebiet: „Niemand soll sich zumindest wirtschaftlich Sorgen machen.“ SPD-Finanzminister Scholz versicherte: „Was man mit Geld in Ordnung bringen kann, das werden wir mit Geld in Ordnung bringen.“

Diese Worte klingen nach Vollkasko-Versicherung, als würde der Staat alle Kosten übernehmen – und so dürfte es wohl auch kommen. Über den geplanten Wiederaufbaufonds wird zwar erst ab nächster Woche mit den Ministerpräsidenten und im Kabinett verhandelt, aber ein instruktives Beispiel ist die Elbeflut vom Sommer 2002. Damals lag der Gesamtschaden in Deutschland bei rund 11,6 Milliarden Euro, von denen ebenfalls nur ein kleiner Teil über Versicherungen abgedeckt war. Am Ende stellten Bund, Länder, Gemeinden und EU etwa 10 Milliarden Euro zur Verfügung, um unter anderem die betroffenen Hausbesitzer und Firmen zu entschädigen.

Es ist richtig, den Flutopfern umfassend beizustehen. Schließlich haben sie den Klimawandel nicht allein verursacht, der ihre Heimat nun zerstört hat. Allerdings ist abzusehen, dass die Milliardensummen ständig steigen werden, die an Klimaopfer ausgeschüttet werden müssen. Dürren, Hitzewellen, Hagelstürme, Tornados und weitere Hochwasser werden sich künftig häufen.

Da taucht schnell die Frage auf, ob sich der Staat diese Milliardenkosten noch leisten kann. Doch fehlende Mittel sind nicht das Problem, schließlich kann Geld „aus dem Nichts“ geschöpft werden, indem der Staat Kredite aufnimmt. Die eigentliche Schwierigkeit dürfte an einer Stelle auftauchen, die bisher kaum diskutiert wird: Die Handwerker werden knapp. Denn es sind ja nicht nur Klimaschäden zu beseitigen – vor allem muss auch die gesamte Wirtschaft klimaneutral umgerüstet werden.

Doch bisher gibt es keinerlei Plan, woher die nötigen Fachleute kommen sollen und wie man sie möglichst schnell ausbildet. Um es etwas polemisch zuzuspitzen: Die Zukunft gehört nicht den PR-Beratern und Investmentbankern.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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