: Ehrenkerle des Rußes
Ein dringender Appell an streikwillige Lokführer
Am heutigen Montag wird die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) in einer Urabstimmung über einen massiven Streik entscheiden, den vorrangig einer unbedingt durchführen will – der Führer der Führer, das Böse schlechthin: der Weselsky.
Sein Spitzname lautet auch unter den eigenen, ihm keineswegs gut gesonnenen Gewerkschaftern: „Stalin“. Eigentlich heißt er Claus Weselsky, aber er trägt einen stalinistischen Schnurrbart, mit dem er offenbar denkt. Und weil er ursprünglich Sachse und auch noch CSU-Mitglied ist, hassen ihn nicht wenige wegen dieser dunklen Flecken auf seiner Seele. Vor allem aber hat es der machthungrige Weselsky mit periodisch auftretenden Anfällen von Streikwahn geschafft, das hohe Ansehen der Lokführer zu beschädigen.
Früher wollten Kinder Lokführer werden und winkten von Bahnbrücken herab freudig den rußgeschwärzten Muskelmännern zu. Heute wollen Kinder lieber saubere Astronauten werden und wie Elon Musk auf den Mars fliegen. Schuld ist der rückwärtsgewandte Stalinist Weselsky, der die hochangesehenen Lokführer rücksichtslos ins tiefe Tal der Verachtung führte.
Früher freuten sich Kinder über Lukas den Lokomotivführer, der einer unterprivilegierten Hilfskraft namens Jim Knopf die Chance gab, einer provinziellen Insel zu entfliehen und Abenteuer in aller Welt zu erleben. Heute glauben Kinder, dass Lokführer People of Color knechten. Schuld ist der Stalinist Weselsky, der das ideologische Denken in jeden Bereich vorangetrieben hat.
Nicht nur Kinder sind Opfer des Weselskys, besonders sind es alle Wahrheit-Fans, die sich in den dunklen Zeiten des Corona-Lockdowns auf ein Datum gefreut haben: den 13. August 2021. An diesem Freitag nämlich wird es bei der Caricatura im Kulturbahnhof Kassel eine Riesensause geben. Dann feiert der Wahrheit-Zeichner ©Tom „30 Jahre touché“. Mit einer großen Ausstellung und vielen mit der Bahn aus aller Damen und Herren Länder anreisenden Gästen.
Doch so viel Spaß nach einer entbehrungsreichen Zeit darf nicht sein, denkt sich das Böse und möchte es verhindern. Deshalb will der Weselsky genau dann streiken und den Bahnverkehr im ganzen Land lahmlegen: Damit ©Tom und seine Fans das abgelegene Kassel nicht erreichen können.
Lokführer, Ihr ehrlichen und ehrenhaften Kerle des Rußes, bedenkt das, wenn Ihr heute bei der Urabstimmung Eure Zettel in die Urnen werft: Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will. Aber ein starker Arm braucht auch Biere, die für durstige Kehlen bereitstehen. Stimmt gegen das Böse schlechthin! Vernichtet Stalin! Verhindert Weselsky! Feiert besser nach getaner Arbeit mit der Wahrheit! Im Kulturbahnhof mit Freibier für alle Lokführer!
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