Coronahilfen für Studierende: Kaum jemand will KfW-Kredit

Als Coronahilfe brachte der staatlich geförderte Studienkredit laut neuer Auswertung wenig. Immerhin profitierten ausländische Studierende.

Blick in einem leeren Vorlesungssaal.

Audimax der TU Dortmund Foto: Olaf Döring/imago

BERLIN taz | Zunächst sieht es so aus, als ob die Coronahilfen für Studierende ein voller Erfolg seien: Sprunghaft ist die Nutzung des staatlichen KfW-Studienkredits im Jahr 2020 angestiegen. Rund 40.000 Studierende griffen auf die Finanzierungsmöglichkeit zurück, während die Kreditanstalt für Wiederaufbau im Vorjahr nur rund 18.000 Vertragsabschlüsse verzeichnet hatte. Doch das Bild trügt, wie eine Auswertung zeigt.

Um Studierenden in der Coronakrise zu helfen, waren die Modalitäten des KfW-Kredits angepasst worden: Betrug der Zinssatz vor der Pandemie noch 3,91 Prozent, kann er seit Mai 2020 und bis zum Ende dieses Jahres zinsfrei in Anspruch genommen werden. Zudem können seit Juli 2020 auch Studierende aus Staaten außerhalb der EU den Kredit erhalten.

Bis zu 650 Euro im Monat beträgt das zinslose Darlehen. Zur Unterstützung in pandemiebedingten Notlagen hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BmBF) außerdem die Überbrückungshilfe für Studierende aufgelegt. Zwischen 100 und 500 Euro Zuschuss bekommen die Antragstellenden pro Monat.

Dank einer Auswertung durch das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) lässt sich nun über die Wirksamkeit des Kreditangebots für in Not geratene Studierende Bilanz ziehen. Wie die Studie ergab, handelt es sich beim sprunghaften Anstieg der KfW-Kund*innen wohl um einen einmaligen Effekt, der wenig mit der Pandemie zu tun hat: Die gestiegene Nutzung des Kredits ist vor allem auf ausländische Be­zie­he­r*in­nen zurückzuführen, die vorher nicht kreditberechtigt waren.

„Mission verfehlt“

„Der KfW-Kredit hat seine Mission als Nothilfe verfehlt“, urteilt Ulrich Müller, der die Abteilung politische Analysen am Centrum für Hochschulentwicklung leitet, „der temporäre Nullzins ist wirklich keine große Entlastung für die Bezieher“.

Die Hilfen hätten diejenigen erreicht, die sie benötigten, resümiert hingegen das Bundesministerium für Bildung und Forschung und führt dies darauf zurück, dass die Antragszahlen für den Kredit nach einem „großen Zuwachs“ in den ersten Monaten der Zinslosstellung im Mai 2021 nun wieder in dem Bereich lägen, der vor der Pandemie üblich gewesen sei. „Die Überbrückungshilfe für Studierende hat denjenigen Studierenden wirksam, unbürokratisch und zuverlässig geholfen, die Unterstützung benötigten oder weiterhin benötigen“, heißt es weiterhin aus dem Ministerium.

Als „bürokratischen Wahnsinn“ bezeichnet hingegen CHE-Mann Müller die Überbrückungshilfe. Sie sei nicht an die Nöte der Studierenden angepasst, die dafür jeden Monat aufs Neue einen Antrag stellen müssen, nicht mehr als 500 Euro auf dem Konto haben dürfen und nur maximal 500 Euro monatlich erhalten. „Das ist zu wenig“, sagt Müller.

Ein schlechtes Zeugnis bekommen die Überbrückungshilfen auch von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW): „Die Überbrückungshilfe hat die Studierenden, die sie gebraucht hätten, nur zum Teil erreicht“, sagt Andreas Keller, Vorstandsmitglied für Hochschule und Forschung der GEW. Und die Kredite seien aufgrund ihrer marktüblichen Zinsen „nicht besonders attraktiv’’ für Studierende.

Unerfüllbare Kriterien

Tilman Kolbe, der in Potsdam im sechsten Semester Jura studiert und bei der GEW aktiv ist, sieht noch ein weiteres Problem: Die Landeshilfen, die Brandenburg zusätzlich zu den ohnehin schon bürokratischen Mitteln des Bundes aufgelegt habe, seien kaum bei den Studierenden angekommen. Theoretisch hätten Studierende, die bei der Überbrückungshilfe des Bundes leer ausgingen, beim Land Brandenburg einen Antrag für zusätzliche Zuschüsse stellen können, so Kolbe. Gerade einmal 66 der 247 gestellten Anträge wurden bewilligt, 19.800 der zur Verfügung gestellten 500.000 Euro ausgeschüttet.

„Das ist lächerlich wenig“, findet Kolbe. Besser lief es laut GEW-Studierenden und Brandenburgischer Studierendenvertretung in Berlin, wo Studierende über einen Technikfonds „vergleichsweise unbürokratisch“ Unterstützung für ihre technische Ausstattung bekommen konnten. Allein von April 2020 bis März 2021 hätten so rund 3.600 Berliner Studierende einen Zuschuss erhalten.

Elf Prozent der Studierenden erhalten derzeit Bafög, drei Prozent nehmen einen Studienkredit in Anspruch, Begabtenförderwerke und Deutschlandstipendium bekommen je ein Prozent der Studierenden. „Die Zahl der Bafög-Bezieher ist in den letzten Jahren stetig gesunken, ohne dass andere Finanzierungsansätze entsprechend hinzugewonnen haben, was im Umkehrschluss heißt, dass ein Studium immer stärker von der eigenen Erwerbsarbeit und den Eltern abhängig ist“, sagte CHE-Mann Müller. „Dabei brauchen wir eigentlich eine Signalwirkung: Wenn du studieren willst, mach es – das Finanzielle bekommen wir hin.“

Ende September läuft die Überbrückungshilfe aus. Anstatt diese zu verlängern, fordert die GEW, das Bafög auszuweiten. Dazu gehöre die Anhebung der Bezugsdauer auf die Durchschnittsdauer des Studiums und dass das Bafög wieder zum Vollzuschuss wird. Außerdem müssten die Verdienstgrenzen bis zu 25 Prozent und der Höchstsatz von derzeit 861 Euro um 15 Prozent angehoben werden. „Alle Leistungen, die inländischen Studierenden offenstehen, sollten auch ausländische Studierende bekommen“, ergänzt Keller von der GEW.

Auch Müller von der CHE fordert eine „umfassende Reform der Studienfinanzierung“. Neben der Anpassung der Verdienstgrenzen müssten auch Teilzeitstudierende gefördert werden. Langfristig strebt Müller eine Bundesstudienförderung an – mit einer direkten Grundförderung von bis zu 300 Euro für alle anstelle von Kindergeld und elterlichem Steuerfreibetrag, einem Zuschuss für Bedürftige und optionalen Darlehen zum Nullzins.

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