Jahrestag der Explosion in Beirut: Die Warnungen ignoriert

Die furchtbare Explosion im Hafen von Beirut war kein Unfall. Die führenden Köpfe von Militär und Politik waren gewarnt – und unternahmen nichts.

Ein brennendes Gebäude in einem Hafen.

Die Gefahr war bekannt: Explosion am 4. August 2020 in Beirut Foto: Mohamed Azakir/reuters

Die Detonation in Beirut war grausiger Ausdruck der Korruption, die sich auf verheerende Weise entladen hat. Joseph Naddaf, der Mann, der ausdrücklich vor der Bombe warnte, kam ins Gefängnis. Als Major in der Staatssicherheit schrieb er Berichte über das Missmanagement im Hafen und warnte seine Vorgesetzten vor dem Ammoniumnitrat in der Lagerhalle 12. Bei den Explosionen im Hafen handelt es sich nicht um einen Unfall, sondern um fahrlässige Tötung.

Die Unterlagen lagen mehreren Ministern, dem damaligen Ministerpräsidenten Hassan Diab und sogar Präsident Michel Aoun vor. Laut aktuellem Bericht von Human Rights Watch hatten die libanesischen Behörden bereits seit Ankunft der Fracht im Beiruter Hafen 2013 darüber kommuniziert. Maßnahmen wurden keine ergriffen. Unfassbar, dass Naddaf über acht Monate im Gefängnis saß, während die Immunität der verantwortlichen Politiker noch immer nicht aufgehoben ist.

Fahrlässig ist die politische Klasse auch in der Wirtschaftskrise. Libanons Führung verschleppt dringend nötige Reformen, um die rasende Inflation zu stoppen. Die politische und wirtschaftliche Elite zögert, ihren klientelistischen Klüngeleien und Vetternwirtschaft, mit denen sie das Land plündert, ein Ende zu machen.

Am Mittwoch organisiert Frankreich nun schon die vierte Geberkonferenz in einem Jahr. Bei dem vergangenen virtuellen Treffen im Juni sagten rund 20 Staaten Nothilfen für die libane­si­sche Armee zu. Deutschland unterstützt den Libanon seit der ­Explosion mit mehr als 20 Millionen Euro. Die Bundesaußenpolitik hat die Stabilität des Landes im Blick, denn viele syrische Geflüchtete haben dort Zuflucht gesucht.

Endlich traut sich die EU, mit Sanktionen gegen diejenigen zu drohen, die eine Regierungsbildung behindern. Doch der Druck reicht nicht aus: Auf den Milliardär Saad Hariri, der neun Monate lang nichts reißen konnte, folgte der zweifache Milliardär Nadschib Mikati. Nach ersten Gesprächen über die Regierungsbildung kommentierte er ganz ohne Ironie: „Es ist ein bisschen langsam.“

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Auslandskorrespondentin für Westasien mit Sitz in Beirut. Hat 2013/14 bei der taz volontiert, Journalismus sowie Geschichte und Soziologie des Vorderen Orients studiert. Sie berichtet aus dem Libanon, Syrien, Iran und Irak, vor allem über Kultur und Gesellschaft, Gender und Fragen der sozialen Gerechtigkeit. Für das taz Wasserprojekt recherchiert sie im Libanon, Jordanien und Ägypten zu Entwicklungsgeldern.

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