Frauenboxen im 18. Jahrhundert: Die verschwundene Boxpionierin

Elizabeth Wilkinson bestieg 1722 zum ersten Mal einen Ring. Zu ihrer Zeit war sie eine bekannte Kämpferin. Dann wurde Boxen zur Männersache erklärt.

Comic, das eine Frau beim Boxkamopf gegen eine andere zeigt.

Starke Linke: Elizabeth Wilkinson als Heldin in einer Graphic Novel Foto: Legendary Comics

Es ist selten, dass eine Sportpionierin während ihrer aktiven Zeit als uneingeschränkte und umjubelte Meisterin ihres Fachs gilt und in den folgenden Jahrhunderten fast vollkommen in Vergessenheit geriet.

Die ab 1722 aktive Boxerin Elizabeth Wilkinson war so ein Fall. Der Historiker Christoph Thrasher beschäftigte sich damit 2012 in seinem Aufsatz „Verschwunden. Wie die Verschiebung geschlechtsspezifischer Grenzen zum Verschwinden der Boxerin Elizabeth Wilkinson aus dem öffentlichen Gedächtnis führte“. Unter anderem zitiert er darin Pierce Egan, der 1829 „Boxiana“, eine geschichtliche Betrachtung des Boxsports, verfasst hatte. Boxen sei, so Egan, lange Zeit als britischer Sport angesehen worden, egal, welches Geschlecht die Akteure hatten. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts hatte sich das jedoch geändert, Boxen wurde ein reiner Männersport.

Und so ist über das Leben der zu ihrer Zeit berühmtesten Boxerin wenig bekannt. Mutmaßlich in London geboren und wie die meisten damaligen Faustkämpfer Kind einer Arbeiterfamilie, wird sie zum ersten Mal im Juni 1722 erwähnt. „Ich, Elizabeth Wilkinson aus Clerkenwell“ beginnt die Herausforderung, mit der sie von ihrer Kontrahentin Hannah Hyfield nach zuvor offenkundig ausgetauschten Beleidigungen Satisfaktion verlangt und sie zu einem Preiskampf „on the stage“ einlädt.

Wilkinson scheint nicht der Geburtsname der Boxerin zu sein, von der heute niemand mehr weiß, wie ihr wirklicher Mädchenname lautete. Der Boxhistoriker Christopher James Shelton geht davon aus, dass Elizabeth sich den Künstlernamen Wilkinson zulegte, um ihrer ersten offiziellen Gegnerin Angst zu machen. Im Sommer 1722 hatten die Taten eines Kriminellen namens Robert Wilkinson Schlagzeilen gemacht, dessen Spezialität Kutschenüberfälle in abgelegenen Gegenden waren. Seine männlichen Opfer pflegte er halbtot zu schlagen, während er die Frauen nackt an Bäume fesselte. In Wirklichkeit war Elizabeth wohl mit dem erfolgreichen Boxpromoter und -kämpfer James Stokes verheiratet.

Mit einer Münze in der Faust

Die Boxspektakel jener Zeit wurden umfassend angekündigt, bei Wilkinsons erster Preisboxerei stand auch der Vermerk, dass beide Frauen jeweils eine britische Crown in den Fäusten halten würden – geboxt wurde ohne Handschuhe. Eine Crown entsprach fünf Schilling, so viel verdiente damals ein Facharbeiter in zwei Tagen. Bei Boxkämpfen sorgten die Münzen in der Faust dafür, dass die Kontrahenten einander nicht kratzten oder kniffen.

Wilkinson galt in der Tat als sehr gute Boxerin, ihre Gegnerin Mary Welch hatte sie in ihrer Herausforderung sogar als „Championess von England“ bezeichnet. Ihre Karriere dauerte bis 1728. Im Dezember antwortete James Stokes auf die Herausforderung eines boxenden Ehepaars, dass seine Frau zwar eigentlich nicht mehr antreten wolle, aber den Zuschauern doch noch einmal eine zufriedenstellende Veranstaltung bieten wolle.

Und dann verschwand Eli­za­beth, bis ihre Rolle als Boxpionierin in jüngerer Zeit wieder gewürdigt wurde. Mittlerweile ist mit „Championess“ auch ein Comic über sie erschienen – allerdings mit komplett ausgedachten Fakten über ihr Leben.

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Schreibt nicht nur über Sport, sondern auch über Verschwörungsideologien, skandinavische Politik und Königshäuser. *** Die ersten Artikel für den taz-Sport gestalteten sich allerdings etwas schwierig: Mit den Worten "Wie, die schicken uns heute eine Frau?" wurde ich beispielsweise vor Jahren von einem völlig entsetzten Vorsitzenden eines Westberliner Fünftligavereins begrüßt. Da war er also, der große Tag, an dem über seinen Club in der taz berichtet werden würde, und dann das: Eine Frau! Ich antwortete ja, ich sei die Strafe und sofort war die Stimmung super. *** Und eines Tages werde ich über diesen Tag und andere, sagen wir: interessante Begegnungen mal ein Buch schreiben.

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