Teilnehmerin über lesbische Datingshow: „Wir haben Reality-TV revolutioniert“

Wiki war einer der 20 Teil­neh­me­r:in­nen bei der lesbischen Dating-Show „Princess Charming“. Hier erzählt sie, wieso sie auch einen feministischen Bildungsauftrag erfüllte.

Wiki und Gea aus "Princess Charming"

Wiki (l.) und Gea (r.) haben revolutionären Spaß Foto: TVNOW

taz: Liebe Wiki, du warst eine der zwanzig Teil­neh­me­r:in­nen von „Princess Charming“, der ersten lesbischen Datingshow weltweit. Hast du daran teilgenommen, weil du dachtest, dass du dich dort verlieben wirst?

Wiki: Nein, gar nicht. Als der Bewerbungszeitraum war, steckten wir gerade mitten in der Pandemie und ich hatte einfach Lust auf ein bisschen Cash, bisschen Urlaub und Alkohol.

Und hat es sich wie Urlaub angefühlt?

Ja, ich hatte eine richtig tolle Zeit auf Kreta. Die täglichen Interviews waren zwar irgendwann ein bisschen ätzend, aber mein Urlaubsgefühl konnte das nicht stören. Ganz genau wie Urlaub war es natürlich nicht, weil man nicht frei entscheiden durfte, was man tut. Man konnte zum Beispiel nicht einfach das Haus verlassen.

„Princess Charming“ ist weltweit die erste lesbische Datingshow. Das Prinzip ist angelehnt an die erfolgreiche US-­ame­rikanische Datingshow „The Bachelor“ und funktioniert wie folgt: Die „Princess“, in dem Fall die 30-jährige Kölner Rechtsanwältin Irina Schlauch, versucht unter 20 Kan­di­dat:in­nen anhand von Gruppen- und Einzeldates eine Part­ne­r:in zu finden. Am Ende jeder Folge schickt sie eine oder mehrere der Kandidat:innen, die alle gemeinsam in einer Villa auf Kreta leben, nach Hause.

Fühlt man sich da nicht eingesperrt?

Es geht. Für uns war das Haus eine Art Safe Space, in dem wir uns frei bewegen, machen und sagen konnten, was immer wir wollen.

Allerdings ständig beobachtet von Kameras. Vergisst man die irgendwann?

Ich auf jeden Fall. Ich kann mich noch an einen Moment erinnern, in dem ich in der Küche war und mich an meiner Vulva gekratzt habe und dann gucke ich nach oben und sehe, dass direkt über mir eine Kamera ist. Es wird wirklich alles gefilmt, auch auf den Toiletten sind Kameras installiert. Aber am Ende vergisst man es und hat einfach eine gute Zeit.

27 Jahre, wohnt in Ham­burg. Bei Instagram hat ihr Ac­count „wiki­riot“ knapp 45.000 Fol­lo­wer:­in­nen

Du bist bis in die Top 9 gekommen, warst sechs Folgen dabei und hattest in zwei Gruppendates. Was hast du denn die ganze Zeit gemacht?

Ich habe versucht, mich viel zu unterhalten über Themen, die mir wichtig sind. Und ansonsten bin ich meinem Spieltrieb nachgegangen. Wir haben gewrestlet, Wasserschlacht im Pool gemacht, Modeschauen veranstaltet und viel gesungen. Uns wurden sämtliche Geräte abgenommen und auch im Haus gab es keine Technik, das heißt, wenn wir Musik hören wollten, mussten wir selbst welche machen.

Hört sich an, als hättest du viel Spaß gehabt. Wieso bist du freiwillig ausgestiegen?

Das hatte ich mir im Vorhinein schon als Grenze gesetzt. Wenn ich so lange weiterkomme, bis wir nur noch zehn Kan­di­da­t:in­nen sind und ich noch keine Gefühle für irgendeine Person entwickelt habe, dann verlasse ich die Show. Sonst wäre es unfair denjenigen gegenüber, die schon Emotionen haben. Und so ist es dann auch gekommen.

Am Dienstag um Mitternacht läuft die neunte Folge und damit das Finale der Sendung. Alle Folgen stehen bei TVNow für Abon­nen­t:in­nen zum Streaming bereit. Bald sollen die Episoden auch im linearen Fernsehen bei VOX ausgestrahlt werden, Ausstrahlungstermine wurden noch nicht bekannt gegeben.

Bei deinem Abschied hast du gesagt, dein Bildungsauftrag sei nun abgeschlossen. Wie lautete der denn?

Vor allem wollte ich ich selbst sein und den Zuschauer:innen, also vor allem weiblich gelesenen Menschen, vermitteln, dass sie tun und lassen können, was immer sie wollen. Unabhängig von gesellschaftlichen Normen, die uns vorschreiben wollen, dass wir nicht laut und wild sein dürfen oder dass uns Haare an den Beinen oder unter den Achseln wachsen dürfen. Und das ist mir relativ gut gelungen, denke ich.

Ist von deinen politischen Botschaften denn genug in der Sendung dringeblieben?

Auf gar keinen Fall. Einerseits ist das verständlich, denn das ganze Filmmaterial muss ja für eine Sendung auf 60 Minuten gekürzt werden. Aber wir haben uns über viele wichtige Themen ausführlich unterhalten, die dann gar nicht in der Sendung vorkommen. Zum Beispiel sexualisierte Gewalt. Dabei wäre es wichtig gewesen, die Show dafür zu nutzen, um auf dieses Thema aufmerksam zu machen. Aber wahrscheinlich war es dem Sender zu unlustig.

Eine Szene, die mir sehr in Erinnerung geblieben ist, ist ein Gespräch zwischen euch Kan­di­da­t:in­nen über Genitalpräferenzen und die Frage, ob es transfeindlich ist, wenn Lesben keinen Sex mit einer Person mit Penis haben möchten.

Ja, es hat mich sehr gefreut und auch überrascht, dass das Gespräch in der Sendung ausgestrahlt wurde. Denn Transfeindlichkeit ist nicht nur in Heterokreisen, sondern auch unter queeren Menschen leider noch stark verbreitet. Und da kann „„Princess Charming““ dann eben auch Themen aufbringen, mit denen sich viele Menschen vorher wahrscheinlich noch nie auseinandergesetzt haben.

Eine Datingshow kann Debatten lostreten?

Auf jeden Fall. Obwohl ich es schon schade finde, dass der Fokus sich danach total verschoben hat. Auf einmal wurde nur noch darüber gesprochen, wen und was man nun alles als transfeindlich bezeichnen darf. Cis Menschen fühlen sich auf den Schlips getreten und sagen: Ich bin auf keinen Fall transfeindlich. Dabei ist das doch gar nicht die Frage. Natürlich sind wir alle in einer Gesellschaft aufgewachsen, die trans Menschen feindlich gegenübersteht, und das haben wir verinnerlicht. Wichtig ist doch, dass wir als Gesellschaft diesen Menschen Raum geben, damit sie von sich und ihren Erfahrungen erzählen können. Deswegen wäre es auch wichtig, trans und nicht-binären Personen mehr Sichtbarkeit im Fernsehen zu geben.

Reality-TV ist in Deutschland ja als Trash-TV verschrien. Ist das bei „„Princess Charming““ anders?

Auf jeden Fall. Ich würde sagen: Wir haben Reality-TV revolutioniert. Wir haben so viel Leidenschaft und Arbeit in diese Sendung gesteckt, damit es zu dem wird, was es geworden ist. Und das Schöne ist, dass es den Zu­schaue­r:in­nen gefällt. Viele erzählen mir, dass sie beim Zuschauen geweint haben, weil sie so emotional berührt waren. Und ich will mich jetzt nicht damit brüsten, aber wann hat zum letzten Mal jemand ein Gedicht über Coming-outs im Fernsehen vorgetragen und die Zu­­schauer:in­nen damit zum Weinen gebracht? „Princess Charming“ hat gezeigt, wie Reality-TV auch sein kann. Dass es auch ohne großes Drama funktioniert.

Dass „Princess Charming“ anders sein will, zeigt sich schon in der ersten Folge. Es kommt zu einem gewalttätigen Zusammenstoß, die Szene wird nicht gezeigt, sondern lediglich auf einer eingeblendeten Texttafel erwähnt. Die beiden Kandidatinnen müssen die Show daraufhin sofort verlassen. Danach wirkt alles immer total harmonisch zwischen euch. War es wirklich so?

Es war sogar noch harmonischer, als es auf dem Bildschirm aussieht. Denn dieses Konkurrenzdenken, was in der Sendung gezeigt wird, haben wir im Haus gar nicht gespürt. Wir wussten auch nie, dass es irgendwelche Favoritinnen gibt, weil du die ganzen Küsse, die auf den Dates fallen, ja gar nicht siehst. Deswegen war es zwischen uns immer sehr ausgeglichen.

Die Sendung ist nun schon eine Zeit lang abgedreht. Wie war es für dich, die Sendung anzuschauen? Du musstest ja doch die Kontrolle abgeben und hast erst jetzt gesehen, wie die Produktion das Material von dir zusammengeschnitten hat. Bist du mit dem Ergebnis zufrieden?

Ich stell es mir schon beschissen vor, wenn man dann bei der Ausstrahlung merkt, dass man in eine bestimmte Rolle gepresst wurde, ohne es zu merken. Meine Freundin Kati hat schon eher die Arschkarte gezogen. Was sehr schade ist, denn Kati ist wirklich ’ne Coole, aber es gab dann eben genug negatives Material, um sie nicht so positiv in der Sendung darzustellen. Aber in meinem Fall muss ich sagen, dass ich natürlich nicht mit all meinen Facetten dargestellt wurde, aber das, was von mir gezeigt wurde, das bin schon sehr ich. Ich bin da aber auch von Anfang an entspannt an die Sache rangegangen. Weil ich dachte, je mehr ich mir Gedanken darüber mache, desto unauthentischer wird es dann auch.

Das heißt, du bist zufrieden mit deiner ersten Erfahrung im Reality-TV?

Auf jeden Fall, es war eine krass gute Erfahrung. Ich habe nicht nur emotional total viel mitnehmen können, sondern habe auch so viele tolle neue Menschen, die jetzt in meinem Leben sind. Ich habe ein bisschen unterschätzt, wie viele Menschen so eine Sendung angucken, und dass ich jetzt halt auch angesprochen werde auf der Straße, im Supermarkt oder in der Bahn. Aber das freut mich natürlich auch. Ich könnte mir gut vorstellen, noch mal bei so einem Format mitzumachen, denn durch „Princess Charming“ bin ich auch an mir selbst gewachsen, und meine Fol­lo­wer:­in­nen­zahl bei Instagram ist natürlich auch ziemlich gewachsen.

Und was machst du jetzt mit dieser Reichweite?

Ich will sie auch weiter für Bildungsarbeit nutzen, das habe ich schon vor der Sendung getan, um auf feministische Themen aufmerksam zu machen und sei zu erklären. Mir ist es wichtig, viele Menschen zu erreichen und ihnen in einfacher Sprache zu erklären, was mir am Herzen liegt. Und je mehr Menschen jetzt Content mitbekommen, der nicht nur daraus besteht, welche Creme man nun morgens, mittags und abends aufträgt, desto besser.

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