Vor Biodiversitätskonferenz in China: Zehnjahresplan für den Artenschutz

Der Entwurf für die 15. CBD-Vertragsstaatenkonferenz im Oktober liegt vor. Ziele sind etwa weniger Pestizide, Plastikmüll und invasive Arten.

Fledermaus (Kleine Hufeisennase) fliegt durch einen Hoehlengang

Einige Arten können zwar Corona übertragen, sonst sind sie aber gute Naturdienstleister: Fledermäuse Foto: blickwinkel/imago

BERLIN taz | Wo bisher noch „X“ stand, sind nun umkämpfte Zahlen eingetragen: Die UN-Konvention über die biologische Vielfalt (CBD) hat am Montag ihren ersten Entwurf für einen Fahrplan zum weltweiten Naturschutz bis 2030 vorgelegt. Unter anderem sollen bis dahin 30 Prozent der Land- und Meeresflächen unter Schutz gestellt werden.

„Politisches Handeln ist global, regional und national dringend erforderlich“, sagte die Leiterin des Sekretariats der CBD, Elizabeth Maruma Mrema, bei der Vorlage des Entwurfs. Ziel müsse sein, den immer stärkeren Rückgang der Artenvielfalt bis 2030 zu stoppen. In den folgenden zwei Jahrzehnten müsse dann eine Erholung der Ökosysteme ermöglicht werden, um bis 2050 unterm Strich Verbesserungen zu erreichen.

Die Wissenschaft schlägt schon lange Alarm angesichts des dramatischen Verlusts von Lebensräumen, Arten und genetischer Vielfalt, der auch die Lebensgrundlagen des Menschen bedroht. Die 1993 in Kraft getretene und völkerrechtlich bindende CBD ist das wichtigste multilaterale Vertragswerk zum Schutz der Biodiversität. Es wurde von den meisten der 196 Vertragsstaaten auch ratifiziert, von den USA allerdings noch nicht.

Die neue Strategie für das laufende Jahrzehnt soll auf der 15. Weltnaturschutzkonferenz, der Cop15, im Oktober im südwestchinesischen Kunming beschlossen werden. Ihr Ziel ist, bis 2050 „im Einklang mit der Natur zu leben“. Der Entwurf sieht hierfür unter anderem vor, Entwicklungsländern mindestens zehn Milliarden US-Dollar zusätzlich pro Jahr bereitzustellen; Subventionen und andere Anreize, die der Artenvielfalt schaden, sollen umgeleitet oder beseitigt und um jährlich mindestens 500 Milliarden US-Dollar reduziert werden.

Erstmals konkrete Ziele auch zur Finanzierung

Zu den geplanten 21 konkreten Zielen bis 2030 gehört auch, dass weniger Dünge- und Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden und der Plastikmüll verringert wird. Die Umweltverschmutzung müsse auf ein Niveau heruntergefahren werden, das der Biodiversität, der Funktion von Ökosystemen und der menschlichen Gesundheit nicht abträglich sei. Die Verbreitung invasiver Arten soll um die Hälfte verringert und der Anstieg bei den ausgestorbenen Arten gestoppt werden.

Als Novum im Vergleich zu Vorversionen des Entwurfs sieht Axel Paulsch vom Institut für Biodiversität vor allem konkrete Zielangaben zur Renaturierung (20 Prozent der degradierten Flächen), zur CO2-Einsparung durch Naturschutz (10 Gigatonnen jährlich) und zur Finanzierung (200 Milliarden US-Dollar pro Jahr). „Das ist alles noch Verhandlungssache, aber immerhin eine erste echte Grundlage“, so der Experte für internationale Umweltpolitik.

Das angestrebte Rahmenabkommen soll weltweit dazu führen, dass nationale und regionale Aktionspläne entwickelt und Naturschutzstrategien auf den neuesten Stand gebracht werden. Die Entwicklung solle ständig beobachtet und der Fortschritt auf globaler Ebene überprüft werden, fordert das CBD-Sekretariat.

Unrühmliches Vorbild Aichi-Ziele

Was auf dem Papier gut klingt, ist in der Praxis aber nicht leicht. Die Vertragsstaaten hatten schon früher ehrgeizige Vorhaben formuliert, aber nicht umgesetzt. Die bis 2020 festgelegten sogenannten Aichi-Ziele wurden gar allesamt verfehlt, wie der bilanzierende Bericht feststellte.

In der gastgebenden Provinz Yunnan, vermutet man den Ursprung des Coronavirus

Die Umweltstiftung WWF kritisiert auch den neuen Entwurf der CBD als unzureichend. Unter anderem stehe die Transformation zu nachhaltigen Wirtschafts- und Finanzsystemen viel zu wenig im Fokus, sagte Florian Titze, Berater für internationale Biodiversitätspolitik beim WWF Deutschland. „Wenn weiter im großen Stil in die Zerstörung der Natur investiert wird, dann helfen auch ambitionierte Flächenschutzziele nichts“, so Titze. Letztere seien zwar begrüßenswert, müssten aber auch effektiv umgesetzt werden. Der WWF fordert eine Erhöhung der internationalen Biodiversitätsfinanzierung durch die Bundesregierung auf mindestens zwei Milliarden Euro pro Jahr.

Ob diesen Herbst endlich final um solche Fragen gerungen werden kann, ist noch nicht sicher. Wegen des Ausbruchs der Coronapandemie war die ursprünglich für 2020 geplante Biodiversitäts-Konferenz bereits zwei Mal verschoben worden. „Die Vorverhandlungen finden allesamt online statt und sind deswegen zäh“, sagt Axel Paulsch. „Einige Staaten haben Probleme mit der Internetverbindung, andere nutzen die Situation bewusst und blockieren den Prozess.“

Bei der Konferenz soll es auch darum gehen, wie das Risiko von Pandemien über Naturschutz und den Erhalt der biologischen Vielfalt verringert werden kann. Ironischerweise wird genau in der gastgebenden Provinz Yunnan der Ursprung des Coronavirus vermutet.

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