Opposition in der Türkei: Eine Tote bei Anschlag

Im türkischen Izmir hat ein Angreifer das Feuer auf ein Büro der Kurdenpartei HDP eröffnet. Die vermutet, der Staat habe seine Finger im Spiel gehabt.

Eine Frau mit Kopftuch und Gesichtsmaske in Menschenmenge weint und schreit

Die Mutter der im Parteibüro der kurdisch-linken HDP getöteten Deniz Poyraz am Donnerstag in Izmir Foto: Uygar Ozel/imago

ISTANBUL taz | Bei einem Angriff auf ein Parteibüro der kurdisch-linken HDP in Izmir ist eine Frau getötet worden. Die junge Frau, Deniz Poyraz, war Mitarbeiterin in dem Parteibüro. Der Angreifer wurde festgenommen und befindet sich in Polizeigewahrsam.

Das HDP-Büro liegt im ersten Stock eines Geschäftshauses im Zentrum der westtürkischen Millionenstadt. Nach Angaben eines Parteisprechers betrat kurz nach 11 Uhr am Donnerstagvormittag ein unbekannter Mann das Büro und begann unmittelbar danach, um sich zu schießen. Deniz Poyraz wurde noch im Eingangsbereich tödlich getroffen.

Die Polizei konnte den Angreifer festnehmen, bevor weitere Besucher des Parteibüros verletzt oder getötet wurden. Der Täter hatte noch einen Molotowcocktail geworfen, durch den ein Teil des Büros verbrannte. Im Internet tauchten wenige Stunden später selbst gepostete Fotos des Angreifers auf.

Danach ist sein Name Onur Gencer. Ein Foto zeigt ihn mit einer Kalaschnikow in der Hand nahe der nordsyrischen Stadt Manbitsch, die seit Jahren zwischen der syrischen Kurdenmiliz YPG und den von der Türkei unterstützten islamistischen Milizen umkämpft ist. Auf einem anderen Foto ist Gencer mit einem Sturmgewehr zu sehen, dass türkische Spezialtruppen im Kampf gegen die PKK benutzen. Die HDP vermutet deshalb, dass der Angriff im Auftrag des Staates erfolgte.

Hetze nimmt zu

Kemal Kılıçdaroğlu, Chef der größten Oppositionspartei CHP, twitterte: „Wir kennen dieses Szenario aus vorangegangenen Jahren. Doch dieses Mal wird sich das Volk von solchen Provokationen nicht täuschen lassen.“

Die Hetze gegen die HDP hat in den vergangenen Monaten wieder stark zugenommen. Seit im Februar eine militärische Aktion zu Befreiung von 13 türkischen Geiseln, die sich in der Gewalt der kurdischen PKK-Guerilla befanden, dramatisch scheiterte und alle Geiseln getötet wurden, steht auch die HDP wieder im Zentrum öffentlicher Angriffe. Präsident Recep Tayyip Erdoğan wirft der HDP vor, der politische Arm der PKK zu sein.

Sein Koalitionspartner Devlet Bahçeli, Chef der ultranationalistischen MHP, forderte ein Verbot der HDP und setzte durch, dass die Generalstaatsanwaltschaft in Ankara ein Verbotsverfahren beim Verfassungsgericht beantragte. Nachdem der erste Antrag aus formalen Gründen abgelehnt wurde, läuft zurzeit ein zweiter, nachgebesserter Antrag. Über dessen Annahme soll das Verfassungsgericht am kommenden Montag entscheiden. Lässt das Gericht den Antrag zu, folgt das Verfahren zum Verbot der Partei.

Auch ohne Parteiverbot werden ständig Mitglieder der HDP mit der Begründung, sie unterstützten eine „Terrororganisation“, festgenommen. Nahezu alle 65 Bürgermeister der HDP, die bei den Kommunalwahlen im Frühjahr 2019 gewählt worden waren, sind mittlerweile aus dem Amt entfernt und durch einen Zwangsverwalter ersetzt worden. Viele von ihnen sitzen im Gefängnis. Auch die beiden ehemaligen Parteivorsitzenden Selahattin Demirtas und Figen Yüksekdag sind seit dem Herbst 2016 in Haft.

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