Orbáns „Anti-Homo“-Gesetz: Die EU ist aufgewacht

Mit einem neuen Gesetz setzt Ungarns Regierungschef seinen Feldzug gegen sexuelle Minderheiten fort. Er bedient sich dabei russischer Vorlagen.

Eine Drag Queen schwenkt die Regenbogenflagge vor dem Parlamentsgebäude in Budapats

Protest vor dem ungarischen Parlament am Montag in Budapest Foto: Bela Szandelszky/ap

Jetzt ist sie wieder groß die Erregung: Rund 10.000 Menschen gehen in Ungarn auf die Straße, ein Großteil der Opposition boykottiert eine Abstimmung im Parlament. Und auch der Europäischen Union wird wieder einmal schmerzlich bewusst, dass Ungarns rechtslastiger Regierungschef Viktor Orbán und seine regierende Partei Fidesz in Sachen Respekt vor Demokratie und Menschenrechten ein Dauerproblem sind.

Stein des Anstoßes ist diesmal ein Gesetz über ein Verbot der Propagierung von LGBTQ bei Minderjährigen, das noch dazu im Gewand von Strafverschärfungen gegen Pädophilie daher kommt. Dass hier eine entsprechende russische Vorschrift über „Homo-Propaganda“ aus dem Jahr 2013 Pate gestanden hat, ist unübersehbar. Was den Schluß nahe legt, dass sich die Einflussnahme Russlands auf Europa längst nicht mehr auf Fake News, plumpe Propaganda und Hacker-Aktivitäten beschränkt.

Dabei ist Orbáns Feldzug gegen sexuelle Minderheiten alles andere als neu. So definiert die Verfassung die Ehe als Verbindung zwischen Mann und Frau, die Möglichkeit einer Adoption ist Homos verwehrt. Im vergangenen Jahr nahm die Fidesz dann auch noch Trans-Menschen ins Visier. Eine Änderung des Geburtsgeschlechts ist ihnen nun qua Gesetz verwehrt, was einer weiteren Diskriminierung dieser ohnehin schon stigmatisierten Gruppe Tür und Tor öffnet.

Immerhin: Die EU rührt sich. Das ist kein Selbstläufer angesichts der Tatsache, dass ihre Sanktionsmöglichkeiten gegenüber Mitgliedern, die sich einen Dreck um europäische Werte scheren, immer wieder an Grenzen stoßen. Die Gleichstellungskommissarin Helena Dalli bringt jetzt die Option einer Kürzung von EU-Mitteln ins Spiel. Die Blaupause dafür ist Polen. Einigen Gemeinden, die sich dort zu LGBTQ-freien Zonen erklärt hatten, wurde für Projekte kurzerhand der Geldhahn zugedreht. Städte wie zum Beispiel Krásnik, nahmen die Ankündigung darauf hin zurück.

Auch wenn dieses Einknicken keinem Metalitätswandel entsprungen sein dürfte und der Bürgermeister von Kraśnik gewiss nicht plötzlich zum Verteidiger von Minderheitsrechten mutiert ist: Entscheidend ist, was hinten heraus kommt. Und vielleicht bekommt damit der Ausspruch, der Zweck heilige die Mittel, plötzlich eine ganz neue Bedeutung.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

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