Forscherin über Klima- und Artenkrise: „Emissionen drastisch senken“

Der Welt-Klimarat und der Welt-Biodiversitätsrat müssen zusammenarbeiten, sagt die Klimaforscherin Almut Arneth. Die Krisen ließen sich nur zusammen lösen.

Eine Margerite auf einer Blumenwiese

Margerite in Aldrans, Tirol: Was kostet die Blume auf der Wiese? Foto: Michael Kristen/imago

taz: Frau Arneth, was wollen der Weltklimarat IPCC und der Weltbiodiversitätsrat IPBES mit ihrem ersten gemeinsamen Bericht erreichen?

Almut Arneth: Wir wollen deutlich machen, dass der Klimawandel und der Verlust von Biodiversität eng miteinander verknüpft sind. Das betrifft sowohl ihre Probleme als auch ihre Lösungen. Vieles, was zum Klimawandel beiträgt, vor allem die Abholzung der Wälder, trägt auch zum Biodiversitätsverlust bei. Wenn wir Agrar- und Forstflächen nachhaltig nutzen, dann erhöhen wir ihre Fähigkeit, Kohlenstoff zu speichern und die Biologische Vielfalt.

Ist das schon ausreichend im politischen Diskurs angekommen?

In den meisten Umweltministerien schon, doch die sind für viele politische Themen gar nicht zuständig, etwa für Landwirtschafts- oder Verkehrspolitik. Darum werden Maßnahmen hier häufig nicht sinnvoll auf Klima- und Biodiversitätspolitik abgestimmt. Auch auf der internationalen Ebene gibt es parallele Strukturen, etwa die Klimarahmenkonvention und die Konvention zum Schutz der Biologischen Vielfalt. Hier fehlt es manchmal an Abstimmung.

Gibt es Zielkonflikte zwischen Arten- und Klimaschutz?

Der großflächige Anbau von Bioenergiepflanzen zum Klimaschutz schadet der Artenvielfalt, oder auch großflächige Wiederaufforstungen als Plantage. Hier entsteht per se Druck auf Landnutzung, womöglich Druck auf Flächen in ganz anderen Gegenden der Welt, der über Handel ausgeübt wird. Deswegen ist es auch unser Hauptanliegen zu sagen: Nature Based Solutions, also Bau, Mobilität, Konsum und so weiter, die auf naturbasierten Lösungen beruhen und dabei Klima und Arten schützen, die sind wichtig und richtig. Aber das wichtigste ist, dass wir schnell von den fossilien Energieträgern herunterkommen. Die Nature Based Solutions können uns über die Ziellinie helfen, aber nur, wenn wir schnell und drastisch die Emissionen herunter fahren.

Heißt das, Klimaschutz hat Vorrang?

Ohne Klimaschutz wird Artenschutz schwierig, weil sich Lebensräume verändern. Allerdings sehen wir am Beispiel der Bioenergiepflanzen: Wenn wir nur auf Klimaschutz setzen und die Biodversität dabei aus dem Blick verlieren, zerstören wir auch Lebensräume.

ist Professorin am Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und Mitautorin des IPCC-Sonderberichts zu Klimawandel und Landsysteme

Im Klimaschutz geht es häufig um technische Lösungen – wie umstritten war das in Diskussionen mit den Artenschützern?

Klar, einige Technologien für Erneuerbare Energien, etwa Solarpanele oder Windräder, sind sehr ressourcenintensiv oder greifen in Lebensräume ein. Trotzdem müssen wir sie weiter fördern, wenn wir dekarbonisieren wollen, und das ist das allerwichtigste. Wir müssen Elektromobilität, Erneuerbare Energieproduktion und so weiter also koppeln mit einer ganz starken Kreislaufwirtschaft, um den Ressourcenverbrauch so klein wie möglich zu halten. Wir müssen Produkte lange nutzen, sie recyceln, das ist ganz wichtig.

Taugen erfolgreiche Konzepte aus dem Kimaschutz, etwa, Kohlendioxid einen Preis zu geben, für den Artenschutz?

Das ist in der Tat umstritten. Ich persönlich denke: Ja, aber. Weil wir in Deutschland und Europa in einer marktwirtschaftlich getriebenen Welt und Wertevorstellung leben, entscheiden wir viele Dinge über den Geldbeutel, bewusst oder unbewusst. Das müssen wir nutzen, daher das ja. Aber: Ein CO2-Preis ist leicht anzusetzen, aber was kostet eine Blume auf der Wiese? Biodiversität zu bepreisen ist viel schwieriger, man stößt dabei auch an moralische Grenzen. Welches Recht haben Menschen, einen Falter auszurotten, weil er ihnen nicht genug Wert ist? Leichter ist es wieder mit Ökosystemleistungen, etwa mit den Fähigkeiten von Wäldern, Wasser und Luft zu säubern, das lässt sich schon berechnen und bietet Möglichkeiten, Wälder zu erhalten.

Wären künftig gemeinsame Gipfel und Sachstandsberichte von Weltklimarat und Weltbiodiversitätsrat sinnvoll?

Ja, das fände ich schon. Allerdings sind das ja zwischenstaatliche Prozesse, da kann ich als Wissenschaftlerin nur Wünsche äußern. Es ist ja auch bislang schon so, dass viele Wis­sen­schaft­le­r:in­nen in beiden Gremien mitgearbeitet haben, und ich habe von vielen Seiten gehört: Es wäre super, wenn wir künftig jeweils auch offiziell in beiden Arbeitsprogrammen verankert würden. Wir müssten nur aufpassen, dass unsere Berichte nicht zu dick werden, sonst liest sie keiner mehr.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.