Union blockiert Gesetzesvorhaben: Demokratiefördergesetz gescheitert

Als Lehre aus rechten Anschlägen sollten Demokratieprojekte langfristig gefördert werden. Die SPD-Fraktion sieht das Gesetz als ergebnislos.

Eine Gruppe von menschen, alle schauen ernst

Das Lampertheimer Bündnis für Demokratie hält eine Mahnwache Foto: Thorsten Gutschlak/imago

BERLIN taz | Es sollte eine zentrale Konsequenz aus den rechtsextremen Anschlägen in Hanau, Halle und auf den CDU-Politiker Walter Lübcke sein: ein Wehrhafte Demokratie-Gesetz, einst auch Demokratiefördergesetz genannt, mit dem zivilgesellschaftliche Demokratieprojekte langfristig gestärkt werden sollten. Auch in einem 89-Punkte-Plan der Regierung gegen Rechtsextremismus war es eine zentrale Maßnahme. Nun aber ist das Gesetz gescheitert.

„Das Gesetz ist in dieser Legislaturperiode nicht mehr zu schaffen“, erklärte SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese am Mittwochnachmittag. Die Unionsfraktion im Bundestag habe das Gesetz bis zuletzt blockiert. „Das ist in keinster Weise nachvollziehbar.“ Wer den Rechtsextremismus und Antisemitismus wirklich bekämpfen wolle, hätte das Gesetz unterstützen müssen, kritisierte Wiese. „Die Union hat hier jegliche Glaubwürdigkeit verloren.“

Die SPD und Demokratieverbände hatten seit Jahren ein Demokratiefördergesetz gefordert, um zivilgesellschaftliche Projekte etwa in Kommunen, Schulen oder mit Neonazi-Aussteigern langfristig vom Bund zu finanzieren. Bisher gilt ihre Förderung immer nur für eine Legislaturperiode – danach stehen die Projekte vor dem Aus und müssen sich mit neuen Konzepten bewerben.

Die Union hatte sich lange gegen das Gesetz gestellt und erklärt, dafür gebe es keinen Bedarf, denn schon jetzt würden Demokratieprojekte jährlich mit 150 Millionen Euro gefördert. Zudem wurde dort befürchtet, dass auch radikale Initiativen Fördergelder erhalten könnten. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) aber war zuletzt eingeschwenkt und hatte erklärt, es gehe darum Gruppen zu unterstützen, „die sich für gelebte Demokratie einsetzen“.

Streit um Extremismusklausel

Mitte Mai hatte das Bundeskabinett daraufhin Eckpunkte für das Wehrhafte Demokratie-Gesetz verabschiedet. Die damalige Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) hatte die Punkte zuvor nachgebessert und eine Demokratieerklärung ergänzt, mit der Träger bei Antragstellung schriftlich zusichern sollten, dass sie sich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung bekennen und ihre Mittel ausschließlich für grundgesetzkonforme Ziele verwenden. Die Initiativen sollten dies auch „im Rahmen ihrer Möglichkeiten“ für ihre Mit­ar­bei­te­r:in­nen und Partnerorganisationen überprüfen.

Eine ähnliche „Extremismusklausel“ hatte bereits 2011 die frühere CDU-Familienministerin Kristina Schröder eingeführt. Später wurde diese wieder abgeschafft, nachdem Initiativen einen Generalverdacht beklagt hatten.

Die Unionsfraktion hatte zuletzt jedoch moniert, dass die Demokratieerklärung nicht weit genug gehe. Die SPD verweigere sich „einer wirksamen Verhinderung staatlicher Finanzierung von extremistischen Organisationen“, sagte der CDU-Innenexperte Mathias Middelberg der taz. Eine verpflichtende Demokratieerklärung sei „eine Selbstverständlichkeit“ und erleichtere im Zweifel auch die Rückforderung von Fördermitteln. Auch Unions-Fraktionsvize Thorsten Frei erklärte, er rechne in dieser Legislaturperiode nicht mehr mit dem Gesetz, da dieses „ebenso komplex wie in der Vergangenenheit streitbefangen war“.

Tatsächlich landete ein Gesetzentwurf bisher nicht im Bundeskabinett, auch am Mittwoch nicht. Eine Sprecherin des Bundesfamilienministeriums erklärte am Nachmittag indes, ihr Haus werde „nichts unversucht lassen, noch eine Kabinettsbefassung zu erreichen“. Dazu sei Justizministerin Christine Lambrecht (SPD), die seit dem Rücktritt von Giffey auch das Familienministerium führt, weiter „in intensivem Austausch“ mit Bundesinnenminister Seehofer.

Die SPD-Innenexpertin Ute Vogt erklärte das Gesetz dagegen ebenfalls bereits für gescheitert. Offenbar gebe es in der Unionsfraktion eine „tiefsitzende Skepsis“ gegenüber einigen Demokratieinitiativen. Für diese sei das Scheitern des Gesetzes „verheerend“.

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