Ausgang der Sachsen-Anhalt-Wahl: Alles nicht so schlimm? Mitnichten

Die Haseloff-CDU hält die AfD auf Abstand. Doch ihr deutlicher Sieg verdeckt den fatalen Kamikazekurs der Partei gegenüber rechts außen.

Porträt Reiner Haseloff mit schwarzer Corona-Schutzmaske

Kann in Magdeburg weiterregieren – mit wem auch immer: Reiner Haseloff von der CDU Foto: dpa / Robert Michael

Der erste Impuls ist: Erleichterung. Die AfD ist weit davon entfernt, stärkste Fraktion zu werden. Diese Schreckensvorstellung hat im letzten Moment Mitte-WählerInnen motiviert, für die CDU, oder genauer für den Ministerpräsidenten, zu stimmen. Offenbar hat es sich herumgesprochen, dass die AfD als stärkste politische Kraft ein Standortnachteil wäre. Genauso war es schon in Sachsen und Brandenburg.

Hinzu kommt der Coronabonus, der sich schon bei der Wiederwahl von Winfried Kretschmann und Malu Dreyer zeigte. In der Krise wählt man halt, was man kennt. Und: Zwei Drittel der WählerInnen in Sachsen-Anhalt kannten die Namen der SpitzenkandidatInnen der anderen Parteien nicht. Wenn man, wie Haseloff, allein auf dem Platz ist, ist der Sieg leicht.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Haseloff wird weiterregieren. Die Mauer nach rechts bleibt, auch wenn sie löchrig ist. Eine Botschaft aus Magdeburg lautet: Die Rechtspopulisten mobilisieren die Mitte. Das ist die gute Nachricht – mit einem Aber.

Vor fünf Jahren spülte die Antiflüchtlingsstimmung die AfD, damals eine Kleinpartei mit 200 Mitgliedern, ins Parlament. Heute ist sie eine gut organisierte Truppe und ein stabiles Bündnis von Rechtskonservativen und Rechtsextremen, das mehr als ein Fünftel wählt. Die AfD beherrscht die Logik der Provokation. Für viele im Osten ist sie eine Wurfsendung an die politischen Eliten: die Umkehrung erlittener, gefühlter Demütigungen in aggressives Ressentiment.

Die Haltung der CDU zu diesem Phänomen ist bestürzend. Ihr Ostbeauftragter stempelte ein Teil der AfD-Klientel zu quasi genetisch bedingten Diktaturaffinen. Ihr zählt nicht, so die Botschaft. Gleichzeitig winkt die Ost-CDU mit der Nominierung von Rechtsauslegern wie Hans-Georg Maaßen Richtung AfD. Die AfD-Klientel gleichzeitig zu diffamieren und sie zu umarmen, ist ein Kamikazekurs, der die Verwirrung der Ost-CDU ausdrückt. Haseloffs Sieg überstrahlt diese Konfusion gnädig.

Verfall der Ex-Arbeiterbewegungsparteien

Und sonst? SPD, Grüne und Linkspartei kommen auf kein Drittel der Stimmen. Die politische Linke hat in Sachsen-Anhalt wenig zu melden. Der Verfall der Ex-Arbeiterbewegungsparteien SPD und Linke, die hier früher mal auf mehr als 50 Prozent kamen, geht ungebremst weiter.

Armin Laschet bleibt nun das Dilemma erspart, entweder für das Aufweichen der Grenze nach rechts oder für eine Kooperation mit der Linkspartei verantwortlich gemacht zu werden. Anscheinend kann alles weitergehen wie bisher: In Magdeburg wird wieder ein Mitte-Bündnis regieren, angeführt von der CDU. Welche Rolle SPD, Grüne und FDP spielen werden, ist offen. Es gibt somit immerhin etwas mehr Spielraum als 2016, als nur die Zwangskoalition Kenia blieb.

Also – alles nicht so schlimm? Es geht ja fast alles weiter wie bisher? Nichts wäre törichter als diese Selbstberuhigung.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

Am 06. Juni 2021 hat Sachsen-Anhalt einen neuen Landtag gewählt. Die CDU wurde mit deutlichem Abstand zur AfD stärkste Kraft.

▶ Alle Grafiken

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.