Neue Regierung in Israel: Vereint gegen Netanjahu

Nach wochenlangem Ringen hat die Opposition eine Regierung gebildet – ohne den langjährigen Regierungschef. Doch das große Bündnis ist brüchig.

Menschen mit israelischen Flaggen in der Nacht

Kundgebung in Ramat Gan, Israel, in der Nacht der Regierungsbildung Foto: Sebastian Scheiner/ap/dpa

BERLIN taz | Die erste große Hürde ist genommen, und doch ist das letzte Wort in dem seit Wochen andauernden Ringen um eine neue Regierung in Israel noch immer nicht gesprochen. Kaum eine Stunde vor Ablauf der Frist meldete sich Oppositionsführer Jair Lapid von der Zukunftspartei in der Nacht zum Donnerstag bei Staatspräsident Reuven Rivlin: „Ich habe es geschafft, eine Regierung zusammenzustellen“, rief er sichtlich erleichtert ins Telefon.

Ihm zur Seite bei dem vor laufenden Kameras geführten Anruf: Naftali Bennett, ehemals Chef der Siedlerpartei. Er soll bei der vereinbarten Rotation die ersten zwei Jahre Ministerpräsident sein, bis Lapid 2023 im höchsten politischen Amt nachrücken will.

Im Boot sitzen acht Parteien, die unterschiedlicher kaum sein können, die aber ein Ziel eint: der Ära Benjamin Netanjahu ein Ende zu setzen. Ganz links stehen dabei zwei Parteien, die den Friedensprozess mit den Palästinensern vorantreiben wollen, auch eine konservativ-islamische Liste ist dabei. Und ganz rechts in der Koalition steht die national-religiöse Jemina, zu deutsch „Nach rechts“, unter Bennett, die mehr als jede andere Partei den Siedlungsbau im besetzten Westjordanland vorantreibt.

Es ist ein wackliges Bündnis, das noch vor Erreichen der Ziellinie zu Fall kommen könnte. Denn innerhalb der Jemina herrscht Unmut. Und die Regierung ist erst eine Regierung, wenn sie von den Knesset-Abgeordneten mehrheitlich befürwortet wird.

Knappes Rennen in der Knesset

61 der insgesamt 120 ParlamentarierInnen müssen für die Lapid-Bennett-Koalition stimmen. Das könnte knapp werden, sollte es Bennett, der künftig das ganze Land regieren will, nicht gelingen, die ParteifreundInnen für das Bündnis zu erwärmen. Lapid drängt zum schnellen Votum schon am kommenden Mittwoch, möglicherweise kommt es aber erst übernächste Woche dazu. In den Reihen von Netanjahus Likud-Partei hofft man offenbar darauf, das Ruder noch herumreißen zu können. Jeder Tag zählt, so heißt es, und Parlamentspräsident Jariv Levin, der die Entscheidung über den Abstimmungstermin fällt, ist ein Vertrauter Netanjahus.

Für den scheidenden Regierungschef sieht es nicht gut aus. Netanjahu muss sich wegen Bestechung, Betrug, Untreue und Vorteilsannahme vor Gericht verantworten und könnte im Gefängnis landen. Mit allen Mitteln wird er deshalb in den kommenden Tagen versuchen, die Lapid-Bennett-Koalition zu verhindern, um anschließend mit einer fünften Neuwahl wieder Zeit zu gewinnen.

Die PartnerInnen im Anti-Bibi-Lager zeigen sich entschlossen, es nicht so weit kommen zu lassen, auch wenn alle hart für ihre Überzeugungen kämpfen. Spannend wurde es in den letzten Stunden vor Ablauf der Frist für Lapid, als Merav Michaeli, Chefin der Arbeitspartei, mit der ultrarechten Ex-Justizministerin Ajelet Schaked darüber stritt, wer von den beiden mit der Ernennung der RichterInnen am Obersten Gerichtshof beauftragt werden würde.

Erschöpft, aber sehr selbstbewusst trat Michaeli anschließend vor die Kameras: „Dies sind Momente, in denen schwere Entscheidungen getroffen werden müssen“, ließ sie Schlimmes erahnen, denn Schaked steht auf Kriegsfuß mit den Gerichten. Am Ende wird jedoch „die Arbeitspartei Demokratie und Rechtsstaat verteidigen“, resümierte Michaeli.

Sie selbst soll den Vorsitz der Kommission für die RichterInnenernennung übernehmen. Damit hat die Sozialdemokratin ihre erste Schlacht in der Koalition für sich entschieden und geht zuversichtlich in die nächste: „Dies ist ein neuer Anfang.“

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