Anwältinnen über feministische Kanzlei: „Wir möchten zu Recht verhelfen“

Den Anwältinnen Rebecca Richter und Katja Dunkel ist ihre Branche zu männerdominiert. Deshalb gründeten sie eine Kanzlei für Frauen und LGBTQIA+.

Im Vordergrund stehen zwei blonde Frauen, die

Anwältinnen für Feminismus: Rebecca Richter und Katja Dunkel (v. l.) Foto: Arik Bauriedl

taz: Frau Richter, Ihre Kanzlei ist spezialisiert auf die Vertretung von Frauen und Menschen aus der LGBTQIA+-Community. Warum?

Rebecca Richter: Wir sind feministisch, seitdem wir denken können. Die Entscheidung für unsere Zielgruppe war daher naheliegend. Frauen und queere Menschen dürfen nicht als Nische gesehen werden, denn das sind sie nicht. Sie umfassen mehr als die Hälfte der Gesellschaft. Die Realität ist aber, dass Frauen und queere Menschen häufiger von Hatespeech betroffen sind. Katja und ich möchten ihnen daher einfacher zu Recht verhelfen.

Frau Dunkel, tun das andere Kanzleien nicht auch?

Katja Dunkel: Als lesbische Frau weiß ich, dass es zum Glück viele geschützte Räume in unterschiedlichen Bereichen des Lebens gibt. Wir kannten einen solchen Safe Space jedoch nicht in der Rechtsbranche, obwohl er dringend notwendig ist. Natürlich gibt es viele Kanzleien, die offen für je­de:n sind. Uns ist jedoch wichtig, diese Botschaft auch klar nach außen zu tragen. Unsere Man­dan­t:in­nen sollen wissen, dass wir genauso bunt und auch nahbar sind. Wir glauben, dass dadurch die Berührung zu einer Kanzlei schneller passieren kann. Wir wollen die Hürde nehmen, bei einer großen Anwaltskanzlei anzurufen.

Wieso fühlen sich Frauen und queere Personen häufig nicht ausreichend von konventionellen Kanzleien vertreten?

Richter: Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass Frauen oder auch Personen aus der LGBTQIA+-Community vielleicht nicht so konservativ sind. Das passt nicht mit alteingesessenen Kanzleien zusammen. Diese sind zudem oft sehr männerdominiert. Auch hier spielt der Erstkontakt eine Rolle. Die Man­dan­t:in­nen müssen sich oft erst durch einige Leute durchtelefonieren und dabei auch privatere Details preisgeben. Und von Erzählungen wissen wir, dass es dann auch Kanzleien gibt, die bestimmte Menschen aufgrund ihrer Ausrichtung oder Sexualität – in diesem Fall eine transsexuelle Person – abgelehnt haben. Wenn man dann bedenkt, dass laut der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte noch immer 43 Prozent der queeren Menschen aus Angst vor Ablehnung oder Anfeindungen nicht geoutet sind, ist das schlimm. Da dachten wir uns: Warum kann man sie – auch im rechtlichen Bereich – nicht aktiv supporten?

Sie haben die Kanzlei Anfang März gegründet. Was ist seitdem passiert?

Dunkel: Wir haben die Kanzlei zum 8. März gegründet. Am Weltfrauentag. Seitdem sind wir überwältigt vom positiven Feedback. Wir bekommen sehr viele Anfragen via Instagram. Oder die Menschen rufen uns direkt an. Da wir nur zu zweit sind, bekommt man direkt eine von uns beiden an den Hörer. Viele Man­dan­t:in­nen sagen uns, dass sie uns aufgrund unserer Spezialisierung aufgesucht haben. Es sind tatsächlich meistens Frauen oder Menschen aus der LGBTQIA+-Szene. Was das Ganze speziell macht, ist unser Rechtsgebiet. Unser Schwerpunkt ist das Medienrecht und auch generell sind wir eher zivilrechtlich aufgestellt. Viele Aufträge kommen aus der Filmbranche. Wir befassen uns aber auch mit Hatespeech, sexualisierter Gewalt oder Diskriminierung am Arbeitsplatz. Also genau die Dinge, mit denen vor allem unsere Zielgruppe vermehrt zu kämpfen hat.

Schließt der Schwerpunkt Medienrecht denn nicht viele potenzielle Man­dan­t:in­nen aus?

Richter: Sagen wir es so, bisher mussten wir noch niemanden nach Hause schicken. Wenn etwas einmal wirklich nicht in unsere Expertise passt – etwa Scheidungsrecht –, dann verweisen wir an Kolleg:innen, die darauf spezialisiert sind. Tatsächlich umfasst Medienrecht aber wirklich sehr viel, wie zum Beispiel eben auch Hatespeech. Man darf außerdem nicht vergessen, dass wir erst seit März dabei sind. Langfristig wollen wir unsere Spezialisierung erweitern und uns weiter auf die Bedürfnisse der LGBTQIA+-Community fokussieren.

Sie leisten sozusagen Pionier:innenarbeit. Was müsste denn passieren, damit sich Frauen und queere Menschen auch von herkömmlichen Kanzleien besser vertreten fühlen?

Dunkel: Generell müsste sich natürlich zunächst einmal das Angestelltenverhältnis ändern. Es braucht deutlich mehr Frauen und queere Menschen in Entscheidungspositionen. Außerdem müssten Teilzeit- sowie Homeoffice-Arbeit normalisiert werden. Das kann jedoch nicht allein durch ein Konzept oder eine einzelne Kanzlei geändert werden, weil es eben viele gesellschaftliche Gründe hat. Hinzu kommt, dass die Gesetzeslage und die Gesellschaft noch immer an einigen Stellen benachteiligend wirken für queere Menschen – wie im Transsexuellengesetz, im Abstammungsrecht und bei der nicht gendersensiblen Sprache. Hier müssen generell mehr Reformen und Akzeptanz her.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.