Stellungnahme von For­sche­r:in­nen: Embryonen für Forschungszwecke?

Zwei Wissenschaftsverbände plädieren für eine Reform des Embyronenschutzgesetzes. Danach sollen Paare im Labor befruchtete Eizellen freiwillig spenden können.

Medizinisches Fachpersonal überwacht die Befruchtung einer Eizelle unter dem Mikroskop und am Monitor

Umstritten: Sollen überschüssige Embryonen für die Forschung genutzt werden dürfen? Foto: epd/imago

HALLE (SAALE) dpa/epd | Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina in Halle (Saale) und die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften haben sich für eine Neufassung des Embryonenschutzes ausgesprochen. Paaren in fortpflanzungsmedizinischer Behandlung sollte es künftig erlaubt sein, überschüssige, außerhalb des Mutterleibs (in vitro) erzeugte Embryonen für Forschungszwecke zu spenden, erklärten die Wissenschaftsvereinigungen am Mittwoch in Halle in einer gemeinsamen Stellungnahme.

In Deutschland verbietet dies bislang das 1990 erlassene Embryonenschutzgesetz. Auch die Bundesärztekammer hatte sich 2020 für eine Neufassung dieses Gesetzes ausgesprochen.

Die Stellungnahme betont, nach internationaler wissenschaftlicher Auffassung gebe es eine Reihe wichtiger Fragen, die wissenschaftlich nur mithilfe der Embryonenforschung bearbeitet werden können. Dazu gehöre etwa die Behandlung von Volkskrankheiten wie Diabetes, Arthrose, Herzinfarkt oder Schlaganfall mithilfe von Stammzelllinien. Zudem gehe es etwa um die die Klärung der frühen Entwicklungsbiologie des Menschen, die Verbesserung der Fortpflanzungsmedizin oder eine bessere Entwicklung von Embryonen und Föten in der Schwangerschaft.

Die Embryonenforschung sorgt seit Jahrzehnten für intensive Debatten. Dabei spielen Forschungsinteressen ebenso eine Rolle wie ethische und rechtliche Überlegungen. Die Kirchen etwa stellen das Grundrecht auf den Schutz des Lebens von Anfang an in den Vordergrund.

Derzeit erlaube das 1990 verabschiedete Embryonenschutzgesetz (ESchG) zwar die Erzeugung menschlicher Embryonen in vitro zum Zweck der Fortpflanzung, heißt es in der Stellungnahme. Es verbiete aber jegliche Forschung an ihnen. In Ländern wie etwa Israel, Dänemark, Schweden, Großbritannien, den USA und Japan dagegen sei die Forschung an frühen menschlichen Embryonen, die nicht mehr für die Fortpflanzung benötigt werden, in engen Grenzen erlaubt. An überzähligen Embryonen dürfe dort bis 14 Tage nach der Befruchtung geforscht werden. International werde sogar eine Ausweitung auf 28 Tage diskutiert.

Zellkugeln von 0,1 bis 0,2 Millimeter

Bislang könnten deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu dieser Forschung wenig beitragen, heißt es in der Stellungnahme weiter. „Dreißig Jahre nach Inkrafttreten des ESchG ist es nach Auffassung der Akademien an der Zeit, den rechtlich zulässigen und ethisch vertretbaren Umgang mit frühen menschlichen Embryonen neu zu bewerten.“

Die Entscheidung darüber, ob überzählige Embryonen für die Forschung zur Verfügung gestellt werden, sollte aus Sicht der Wissenschaftsakademien bei dem Paar liegen, von dem sie stammen. Wenn die Familienplanung dieser Paare etwa abgeschlossen ist, könnten die übrigen Embryonen bislang nur verworfen oder für andere Paare gespendet werden. In der Embryonenforschung geht es den Angaben zufolge um 0,1 bis 0,2 Millimeter große Zellkugeln.

Den Angaben zufolge sind in Deutschland zwischen 1997 und 2018 mehr als 319.000 Kinder nach einer In-vitro-Fertilisation (IVF) geboren worden. Bei dem Verfahren werden der Frau nach einer Hormongabe Eizellen entnommen und mit dem Samen des Mannes zusammengebracht. Zum Teil entstehen mehr Embryonen als der Frau übertragen werden.

„Die Forschung an frühen Embryonen in vitro, also außerhalb des menschlichen Körpers, die für Fortpflanzungszwecke erzeugt wurden, aber dafür keine Verwendung mehr finden (…), sollte im Einklang mit internationalen Standards erlaubt werden“, empfiehlt die Stellungnahme. „Die Erlaubnis zur Forschung sollte dabei ausschließlich für hochrangige Forschungsziele gelten, die dem wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn im Rahmen der Grundlagenforschung und der Erweiterung medizinischer Kenntnisse bei der Entwicklung diagnostischer, präventiver oder therapeutischer Verfahren dienen.“

Eine Bundesbehörde könnte demnach zusammen mit einer Ethikkommission über die Zulässigkeit der Vorhaben entscheiden. Ähnlich sei das für die Stammzellforschung geregelt, bei der das Robert Koch-Institut und die Zentrale Ethikkommission für Stammzellforschung zusammenarbeiten.

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