Digitaler Impfnachweis: Einladung zur Fälschung

Vieles musste unter Pandemie-Bedingungen pragmatisch entschieden werden. Doch dieser digitale Impfpass ist eine gefährliche Nachlässigkeit.

Tableau mit Aufnahmen von Pflastern, die nach einer Corona-Impfung auf Oberarmen angebracht wurden

Jetzt fehlt – neben der Impfung, auf die viele noch warten – das Zertifikat Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

Pragmatisch? Oder nachlässig? Das ist eine Frage, die sich in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder gestellt hat im Zusammenhang mit der Pandemiebekämpfung. Und der Grat, der zwischen beiden Ansätzen liegt, ist oft ziemlich ­schmal. Zum Beispiel bei den Schnelltestzentren.

Davon brauchte es viele, und zwar zügig, wenn es durch Tests abgesicherte Öffnungen geben sollte. War es also pragmatisch, die Einrichtung der Zen­tren unbürokratisch zu ermöglichen? Ja. Und war es nachlässig, dabei nicht einmal eine Plau­si­bi­li­täts­kon­trol­le einzubinden, um zumindest die gröbsten Betrugsversuche zu erkennen? Ja, vermutlich auch. Aber hinterher kritisieren ist immer leichter.

Die nächste Situation, deren Lösung zwischen Pragmatismus und Nachlässigkeit liegen wird, ist der digitale Impfpass. Die IT-Infrastruktur läuft, die Apps sind da. Jetzt fehlt – neben der Impfung, auf die viele immer noch warten – das Zertifikat. Ist es pragmatisch, dass nicht nur Ärz­t:in­nen und Impfzentren diese ausstellen sollen, sondern, damit viele Menschen schnell an ihren digitalen Nachweis kommen, auch Apotheken?

Klar. Ist es nachlässig, weil bereits einiges an gefälschten Impfpässen unterwegs sein dürfte und die Apotheken nicht beim Arzt oder Impfzentrum anrufen werden, um zu fragen, ob die Inhaberin des gelben Papierausweises wirklich dort geimpft wurde? Vermutlich. Und ein einmal ins Digitale umgewandelter gefälschter Impfpass lässt sich gar nicht mehr als Fälschung erkennen.

Pragmatisch war es auch, den gelben Impfpass sein zu lassen, als sich längst abzeichnete, dass er künftig eher Eintrittskarte als Schubladenhüter sein wird. Und dass Ideen, die eine Fälschung erschwert hätten – wie Aufkleber mit Hologrammen – politisch so gar nicht aufgenommen wurden. Klar, Fäl­sche­r:in­nen wird es immer geben. Aber man kann es ihnen einfacher machen (Impfpass) oder schwieriger (Euro-Noten).

Vielleicht lässt sich der Frage, ob in einer Si­tua­tion Pragmatismus wünschenswert ist oder zu leicht in problematische Nachlässigkeit kippen wird, an Hand eines Gedankens nähern, nämlich: Was, wenn es schiefgeht? Abrechnungsbetrug bei Testzentren – kostet Geld, fällt aber angesichts der gesamten Pandemiekosten kaum ins Gewicht.

Schlampig gemachte Abstriche in Testzentren, die dazu führen, dass infektiöse Menschen ihre Großeltern besuchen – schon ein Problem. Ebenfalls: Wenn Menschen ohne Impfung ihren gefälschten Impfpass in ein digitales Zertifikat umtauschen und dann nicht getestet, aber infektiös durch die Welt reisen und das Virus so weitertragen können. Es wäre wichtig, die Folgen solcher Entwicklungen schon im Vorfeld ernster zu nehmen.

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schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.

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