Afghanische Ortskräfte der Bundeswehr: Breites Bündnis für Aufnahme

Eine Initiative fordert, afghanische Mitarbeitende deutscher Stellen schnell nach Deutschland zu holen. Das bisherige Verfahren sei zu bürokratisch.

Soldaten laufen mit Gepäck in Richtung eines stehenden Hubschraubers

Bundeswehr-Soldaten im Camp Pamir in Kunduz in Afghanistan Foto: Tim Röhn/imago

BERLIN taz | Die Bundesrepublik soll afghanische Mit­ar­bei­te­r*in­nen der Bundeswehr und anderer deutscher Stellen so schnell wie möglich nach Deutschland holen – das fordert ein breites Bündnis in einem offenen Brief vom Freitag. Hinter der Initiative mit dem Titel „Afghanische Ortskräfte in Sicherheit bringen!“ stecken unter anderem Ver­tre­te­r*in­nen aus Militär, Politik und Entwicklungshilfe.

Die Unterstützung ist breit. Unterschrieben haben den Appell an die Bundesregierung beispielsweise der ehemalige Bundeswehr-Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan, Pro-Asyl-Experte Bernd Mesovic und die ehemaligen deutschen Botschafter Hans-Ulrich Seidt und Rainald Steck.

Anlass ist der angekündigte deutsche Truppenabzug aus Afghanistan, der im Juli abgeschlossen sein soll. „Während die Truppe unter verstärkten Sicherheitsvorkehrungen längst bei den Vorbereitungen zur Rückkehr ist, wachsen die Befürchtungen der afghanischen Ortskräfte. Sie fürchten um ihre Sicherheit und ihr Leben – wie auch um das ihrer Familienangehörigen“, heißt es im offenen Brief. In Gefahr seien die Ortskräfte, da sie von den Taliban als „Kollaborateure des Westens“ behandelt würden. Die Bundesrepublik dürfe diese Menschen daher nicht schutzlos zurücklassen.

Im Rahmen eines sogenannten „Ortskräfteverfahrens“ nimmt Deutschland zwar schon seit 2013 bedrohte Af­gha­n*in­nen auf. Laut Innenministerium müssen die Betroffenen aber „eine individuelle Gefährdung aufgrund ihrer Tätigkeit für ein deutsches Ressort in Afghanistan“ nachweisen. Wer sein Arbeitsverhältnis mit den Deutschen schon vor zwei oder mehr Jahren beendet hat, wird nicht berücksichtigt.

Initiative fordert Charterflüge

Nach Angaben der Bundesregierung aus dem April erhielten im Rahmen des Programms von 2013 bis 2015 rund 630 Ortskräfte der Bundeswehr ein „Aufnahmeversprechen“. In den Jahren danach waren die Zahlen so niedrig, dass die Regierung sie nicht mehr öffentlich angeben wollte. Das geht aus der Antwort des Außenministeriums auf eine Anfrage der Linken im Bundestag hervor.

Die Un­ter­zeich­ne­r*in­nen des offenen Briefs fordern nun ein schnelleres Aufnahmeprogramm. Neben Mit­ar­bei­te­r*in­nen der Bundeswehr sollen auch Af­gha­n*in­nen berücksichtigt werden, die vor Ort für die deutsche Polizei, die Botschaft oder der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit tätig waren. Ihre Ausreise nach Deutschland müsse „möglichst geschehen, solange die Bundeswehr noch im Land ist“ – wenn nötig mit Charterflügen.

Das bisherige Prüfverfahren „mit seinem bürokratischen Aufwand“ sei in der Kürze der Zeit nicht mehr praktikabel. Es soll entfallen. Zudem fordern die Unterzeichner*innen, dass auch Af­gha­n*in­nen berücksichtigt werden, deren Arbeit für die Deutschen schon länger als zwei Jahre her ist: „Im Ernstfall werden sich die Verfolger bei den Taliban wohl kaum an dieser Frist orientieren.“

Wie viele Menschen von einer unbürokratischen Aufnahme profitieren könnten, ist indes unklar: Die Frage, wie viele Af­gha­n*in­nen seit Kriegsbeginn 2001 insgesamt für deutsche Stellen gearbeitet haben, kann die Bundesregierung nicht beantworten.

Transparenzhinweis: Zu den Un­ter­zeich­ne­r*in­nen des Appells gehört neben anderen Jour­na­lis­t*in­nen auch der taz-Autor und Afghanistan-Experte Thomas Ruttig.

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