Ausgrenzungspolitik in Österreich: Alle in einen Topf

In Österreich lanciert die ÖVP eine Landkarte des politischen Islam. Mit Ausgrenzungspolitik geht sie auf Stimmenfang.

Susanne Raab während einer Pressekonferenz neben der österreichischen Flagge

Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) möchte durch die „Islam-Karte“ Gefahren aufzeigen Foto: Eibner Europa/imago

Wo rekrutieren islamistische Hassprediger Soldaten für den Dschihad? Welche türkischen Vereine werden von den rechtsextremen Grauen Wölfen dominiert? Über welche Moscheen versucht der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan gegen den Westen Stimmung zu machen? Ist es vielleicht kein legitimes Anliegen, Vereine und Bethäuser, die Gläubige radikalisieren, namhaft zu machen? Gewiss.

Doch muss man wirklich über 600 Vereine und Gebetshäuser in den Ruch des Islamismus bringen, um vor der Gefahr, die nur von manchen Predigern ausgeht, zu warnen? Genau das tut die von der ÖVP lancierte Islam-Landkarte, die als einzige vorzeigbare Errungenschaft der vor einem Jahr gegründeten Dokumentationsstelle Politischer Islam vorgestellt wurde. Da kann Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) noch so oft beteuern, man wolle nicht spalten, sondern Gefahren aufzeigen.

Die Islam-Karte trägt die unverwechselbare Handschrift der ÖVP, der es, seit Sebastian Kurz am Ruder ist, immer weniger um Lösungen als um Inszenierungen zwecks Stimmenmaximierung geht. Auf nichtmuslimische Bürgerinnen und Bürger muss dieses auf der Karte deutlich dichte Netz islamischen Lebens bedrohlich wirken. Erste Anschläge gegen aufgelistete Einrichtungen sind bereits dokumentiert. Unter Fremdenpolitik versteht die Truppe von Kurz fast ausschließlich die Abwehr von Muslimen.

Statt die Betroffenen einzubinden, lässt sie ein paar Vertraute im kleinen Kreis etwas auskochen und stellt dann die Öffentlichkeit – und oft auch den Koalitionspartner, die Grünen – vor vollendete Tatsachen. Die Zeit befragte den in Köln lehrenden Politologen und Islamwissenschaftler Rami Ali. Dank dieser Ausgrenzungspolitik könnten sich die wirklichen Extremisten als Opfer inszenieren, sagt er:

„In den sozialen Medien haben einschlägige neo-salafistische Ak­teu­r*in­nen bereits begonnen, das Vorgehen propagandistisch auszuschlachten. Sie vergleichen sich mit verfolgten Jü­din­nen*­Ju­den während des Naziregimes“. Wohl kaum der Effekt, den eine Integrationsministerin erreichen sollte.

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*1955 in Wien; † 21. Mai 2023, taz-Korrespondent für Österreich und Ungarn. Daneben freier Autor für Radio und Print. Im früheren Leben (1985-1996) taz-Korrespondent in Zentralamerika mit Einzugsgebiet von Mexiko über die Karibik bis Kolumbien und Peru. Nach Lateinamerika reiste er regelmäßig. Vom Tsunami 2004 bis zum Ende des Bürgerkriegs war er auch immer wieder in Sri Lanka. Tutor für Nicaragua am Schulungszentrum der GIZ in Bad Honnef. Autor von Studien und Projektevaluierungen in Lateinamerika und Afrika. Gelernter Jurist und Absolvent der Diplomatischen Akademie in Wien.

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