Regierungsbildung in Israel: Die Hoffnung stirbt zuerst

Eine neue Koalition in Israel könnte Premier Netanjahu nach zwölf Jahren aus dem Amt befördern. Doch das heißt nicht, dass nun Frieden ausbricht.

Benjamin Netanyahu und sein Verteidungsminister Naftali Bennett auf den Golan-Höhen

„Bibi“ und sein Verteidungsminister Naftali Bennett im November 2019 Foto: Atef Safadi/imago

Israel ist ein schwer regierbarer Staat: eine zersplitterte Parteienlandschaft, keine Fünf-Prozent-Hürde und eine höchst heterogene Bevölkerung mit weit auseinander laufenden Interessen. Und all das auch noch in einem sicherheitspolitisch explosiven Umfeld. Insofern zählen die Jahre, die man in Jerusalem geschafft hat zu regieren, gewissermaßen doppelt. Sollte ein neues Rechts-Mitte-Links-Bündnis es in dieser Woche tatsächlich schaffen, eine Regierung zu bilden, wird Benjamin Netanjahu zwölf Jahre ununterbrochen im Amt gewesen sein, also – da es ja doppelt zählt – nahezu ein Vierteljahrhundert lang.

In all dieser Zeit haben viele stets „Bibi“, wie ihn jeder in Israel nennt, für den gescheiterten Friedensprozess mit den Palästinensern verantwortlich gemacht. Doch Hoffnungen, dass jetzt der Frieden ausbricht oder zumindest Schritte in diese Richtung unternommen werden, sollte sich dennoch niemand machen. Die beiden Säulen einer möglichen neuen Regierung, der ehemalige TV-Moderator Jair Lapid von der liberal-zentristischen Partei „Jesch Atid“ (Es gibt eine Zukunft) und der Rechtsaußen Naftali Bennett von der „HaJamin HaChadasch“ (Neue Rechte) können und werden den Nahostkonflikt erst einmal ausklammern. Sie würden in ihrem Bündnis ohnehin keine gemeinsame Linie finden können. Deshalb wollen Lapid und Bennett sich auf die Wirtschaft und wichtige Infrastrukturprojekte des Landes konzentrieren.

Eine Wiederauferstehung des Friedensprozesses würde aber auch an den Palästinensern selbst scheitern. Hamas und Fatah sind sich auch 15 Jahre nach ihrem Bruderkrieg keinen Schritt näher gekommen. Die Fatah selbst driftet zudem auseinander und zersplittert in immer mehr einzelne Fraktionen. Und schließlich: Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hat schon so lange nicht mehr wählen lassen, dass die junge Generation das Wort gar nicht mehr kennen dürfte. Ihm fehlt jegliche Legitimität, Verhandlungen mit den Israelis zu führen und er wäre auch sicher nicht mehr in der Lage, schwierige Kompromisse durchzusetzen. Der Friedensprozess ist auf so vielen Ebenen gescheitert, dass es für eine Erneuerung auch neue Ideen und einen ganz neuen Ansatz braucht.

Wichtig ist das Bündnis friedenspolitisch dennoch. Erstmals will eine arabische Partei, die arabisch-islamische „Raam“, eine israelische Regierung unterstützen – wenn wohl auch nicht als offizieller Koalitionspartner. Nach den schweren Unruhen zwischen arabischen und jüdischen Israelis ist das ein nicht zu unterschätzendes Symbol. Eine politische Bindung kann einen versöhnlichen Ton in die innerisraelische Debatte bringen, der nach der Gewalteskalation dringend nötig ist.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Kommentatorin & Kolumnistin, Themen: Grüne, Ampel, Feminismus, Energiewende, Außenpolitik

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.