Damit der Holzbau nicht teurer wird: Am eigenen Ast sägen

Die Preise für verarbeitetes Holz gehen durch die Decke. Mit einem lokalen Sägewerk könnte die Preisspekulation ein Ende haben, finden die Grünen.

Man sieht einen Holzstapel

Holzstapeln bringt kein Geld, Holz schneiden umso mehr Foto: dpa

BERLIN taz | Es war ein Coup, den Timo Herzberg im Mai gelandet hatte. Der Berliner Statthalter des Signa-Investors Benko hatte angekündigt, auf einen Abriss von Karstadt am Hermannplatz zu verzichten. Die Rekonstruktion des im Krieg zerstörten Warenhauses von 1929 soll nun durch Entkernung und einen Aufbau in Holzbauweise erreicht werden. Damit entstehe ein „internationales Leuchtturmprojekt für nachhaltige Immobilienentwicklungen“, so Herzberg.

Holzbau ist nicht nur in Mode gekommen, im Fall von Karstadt soll er sogar zum Gamechanger werden. Seit der Präsentation der Pläne für den Wiederaufbau des Art-déco-Baus hatte es Kritik gehagelt. Der Verzicht auf einen Abriss und die Aufstockung in Holzbauweise soll mehr Akzeptanz schaffen. „Wow! Klimafreundlich und gleichzeitig modern“, kommentierte Berlins SPD-Landesvorsitzende Franziska Giffey die Pläne.

Ob Investor Signa allerdings mit der veranschlagten Investitionssumme von 450 Millionen Euro auskommen wird, ist ungewiss. Denn die Preise für Holz gehen derzeit durch die Decke. Vor allem Schnittholz, also Balken und Bretter, die aus den Sägewerken kommen, ist deutlich teurer geworden. Laut Statistischem Bundesamt waren die Preise im März 2021 um 20,6 Prozent höher als im Vorjahresmärz. Jeder, der gerade in einem Baumarkt Holz kaufen will, um ein Hochbett zu bauen, kann davon ein Lied singen.

Holzhunger in USA

Der Grund für den Preisanstieg liegt in den USA und China. Mit seinem Konjunkturprogramm hat US-Präsident Joe Biden vor allem die Bauwirtschaft angekurbelt. Weil in den USA traditionell mit Holz gebaut wird, ist dort ein regelrechter Holzhunger entstanden. Da der einheimische Markt die Nachfrage nicht bedienen kann, wird kräftig importiert – zweitwichtigster Holzlieferant ist nach Kanada Deutschland.

Was heißt das für die ambitionierten Pläne des Berliner Senats, künftig mehr mit Holz zu bauen? Im künftigen Schumacherquartier auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tegel soll das weltweit größte Holzbauquartier entstehen. In der Schöneberger Straße hat der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg gerade den Startschuss für das WoHo gegeben, den höchsten Wohnturm aus Holz in Deutschland. Doch die Vorzeigeprojekte mit dem Ökobaustoff Holz wurden allesamt geplant, bevor die Nachfrage aus den USA und China die Holzpreise explodieren ließ.

Weil die Schere zwischen Angebot und Nachfrage steigt, hat der grüne Baupolitiker Andreas Otto eine Idee. Er schlägt vor, dass Berlin und Brandenburg ihr Holz nicht länger exportieren, sondern regional vermarkten. Um nicht von den Preisen der holzverarbeitenden Industrie abhängig zu sein, sollen beide Länder ein eigenes Sägewerk betreiben. „Das könnte dann auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tegel entstehen“, findet Otto. Denn trotz der steigenden Preise für Schnittholz sind die Preise für Rohholz gesunken. Solange aber bei den Waldbesitzern der Holzbauboom preislich nicht ankommt, verzichten viele derzeit auf die jährlichen Einschläge. Das wiederum verknappt die Nachfrage – ein marktwirtschaftlicher Teufelskreis.

Auch die Berliner Forsten halten sich derzeit mit der Holz­ernte zurück. Das ergibt sich aus einer Antwort des Senats auf eine kleine Anfrage, die Andreas Otto eingereicht hat. Normalerweise werden in den Berliner Wäldern jährlich 100.000 Kubikmeter Holz geschlagen. In den vergangenen drei Jahren waren es dagegen nur knapp 70.000 Kubikmeter.

Aber selbst wenn die übliche Menge geerntet werden würde, würde dies nicht automatisch bedeuten, dass bei Berliner Holzbauvorhaben auch Berliner Holz verwendet wird. „Die Berliner Forsten verkaufen das Holz überwiegend ‚auf Stock‘“, heißt es in der Antwort der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz. „Dabei bewerten die Käufer den Bestand vor Ort, bieten einen Preis und schlagen bei Zuschlag die angezeichneten Bäume selbst ein.“ Die weitere Verwertung durch Holzhandel und Sägewerke sei Sache des Käufers. „Zum endgültigen Verbleib des Holzes liegen dem Senat keine Informationen vor.“

Diese unbefriedigende Antwort hat Otto erst recht in seiner Idee bestärkt. „Berlin und Brandenburg müssen eine eigene Infrastruktur schaffen“, sagt der Grünenpolitiker der taz. „Das heißt auch, in die Holzverarbeitung einzusteigen.“ Zwar räumt Otto ein, dass er mit diesen Plänen erst am Anfang stehe. Mit SPD und Linken hat er noch nicht geredet.

Tegel fragte Tesla

Unterstützung findet Otto bei Philipp Bouteiller. „Als ich gehört habe, dass Tesla in Grünheide roden will, habe ich mich bei denen gemeldet“, lacht der Chef der landeseigenen Tegel Projekt GmbH. Schließlich braucht der Bau der 5.000 Wohnungen des Schumacherquartiers jede Menge Holz. „Das wäre das richtige Signal gewesen“, sagt Bouteiller der taz. Doch die E-Mail an Tesla blieb unbeantwortet. Umso „charmanter“ findet Bouteiller die Idee, mit einem lokalen Sägewerk die Spekulation mit dem Holz zu beenden. „Das wäre dann eine Art Selbstvermarktung.“

Schon seit Langem plant die Tegel Projekt GmbH auf dem Flughafengelände eine Bauhütte 4.0. In Kooperation mit der TU Berlin und dem Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik soll dort zum Holzbau geforscht werden. Denn auch ohne die jüngsten Preissteigerungen liegt der Holzbau zehn Prozent über den herkömmlichen Baukosten. „Wenn der Bauprozess vor Ort stattfindet und wenn wir serielle Lösungen finden“, sagt Berlins Senatsbaudirektorin Regula Lüscher, „können wir die Baukosten auch unter den Schnitt senken.“ Dazu gehöre auch, die Holzbauindustrie in der Region anzusiedeln.

Ein Sägewerk gehörte bislang nicht zu den Überlegungen für die Bauhütte, räumt Bouteiller ein. Aber vielleicht müsse das auch nicht in Tegel entstehen, sondern in Brandenburg. Gemeinsam mit dem Nachbarland will Berlin eine Holzbauoffensive starten. Das haben beide Landesregierungen auf einer gemeinsamen Kabinettssitzung beschlossen. „Wir müssen Hand in Hand arbeiten und Teile der Wertschöpfungskette in beiden Ländern haben“, betont Bouteiller. Auf keinen Fall dürfe es so sein, „dass Brandenburg das Holz liefert und Berlin baut“.

Wenn die Forschung in der Bauhütte so weit ist, schaut Bouteiller in die Glaskugel, dann kann in einem lokalen Sägewerk auch die Kiefer als Bauholz verarbeitet werden. Denn noch ist es so, dass beim Holzbau hauptsächlich auf Fichten zurückgegriffen wird. Und die kommt in Brandenburger Wäldern bekanntlich eher selten vor.

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