Tattoo- und Kopftuchverbot: Gesetz gegen die Vielfalt

Ohne Debatte ging das Gesetz zum Erscheinungsbild von Be­am­t:in­nen durch. Dabei erhöht die Homogenität der Uniformierten die Akzeptanz nicht.

Mann tätowiert den Unterschenkel eines anderen Mannes

Tätowierungen allenfalls unter der Uniform – das gilt neuerdings für öffentlich Bedienstete Foto: Andrew Craft/ap

Es geht zwar nicht nur um Poli­zei­be­am­t:in­nen, aber in erster Linie. Deutsche Be­am­t:in­nen sollen keine auffälligen Tattoos tragen und auch keine muslimischen Kopftücher. Das haben Bundestag und Bundesrat nun im Beamtenrecht geregelt. Die Begründung des Gesetzes zum „Erscheinungsbild“ von Be­am­t:in­nen spricht von einer „parlamentarischen Leitentscheidung“. Umso peinlicher, dass es im Bundestag keinen einzigen Redebeitrag zu diesen massiven Grundrechtseingriffen gab.

Die Vielfalt in der Gesellschaft wird reglementiert, aber nicht diskutiert. Auch die Opposition zeigte sich sprachlos. Dabei wäre es durchaus aufschlussreich gewesen, Tattoos und Kopftücher zusammen zu debattieren. Dann wäre nämlich schnell aufgefallen, wie widersprüchlich die Argumentation der Tra­di­tio­na­lis­t:in­nen ist. Bei muslimischen Kopftüchern haben sie Angst um die Neutralität des Staates. Die Bür­ge­r:in könne glauben, der Staat identifiziere sich mit dem Islam.

Ganz anders die Sorgen, wenn es um Tattoos und Piercings geht. Sind diese zu auffällig, könne der ungewöhnlich gestylte Mensch die Uniform und die amtliche Funktion (zu sehr) in den Hintergrund treten lassen. Wenn Letzteres stimmt, dann muss aber auch beim Kopftuch gelten: Die ungewöhnliche religiöse Kopfbedeckung macht den Menschen in der Uniform sichtbar, sie betont das Individuelle. Es kann doch wirklich kein Verbotsgrund sein, dass die Vielfalt bei der Polizei sichtbar wird.

Denn dadurch würde die Akzeptanz der Polizei nicht geschwächt, sondern sogar erhöht. Für das einheitliche Auftreten gibt es schon die uniforme Dienstkleidung. Mehr Homogenität ist eher schädlich. Denn die Polizei hat wirklich ein Image-Problem – zum Beispiel weil immer wieder rechtsextremistische Chatgruppen bekannt werden. In so einer Lage ist es geradezu polizeifeindlich und reputationsgefährdend, wenn Po­li­zis­t:in­nen das Kopftuch verboten wird.

Hier wird die Homogenität zur optischen Pflicht erklärt, statt die Verankerung unserer Polizei in einer vielfältigen Gesellschaft sichtbar zu machen.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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