Kriegsrecht im Kongo: Kein Frieden für die Friedlichen

Das Kriegsrecht im Osten Kongos folgt auf gewaltsames Vorgehen gegen friedliche Proteste. Auch der Tod eines prominenten Imam wirft Fragen auf.

Der in seiner Moschee erschossene Imam von Beni wird zu Grabe getragen, Sonntag, 2. Mai Foto: Alhadji Kudra Maliro

BENI taz | Nur noch Müll erinnert vor dem Rathaus von Beni an eine bemerkenswerte Protestbewegung. Über 500 Schüler hatten hier tagelang kampiert, im Windschatten der Demonstrationen gegen die UN-Mission im Kongo (Monusco) und deren Untätigkeit gegen bewaffnete Gruppen im Osten der Demokratischen Republik Kongo. Sie errichteten ein Lager mit Toi­letten und Duschen hinter Palmenzweigen.

Ihre Forderung: Kongos Präsident Félix Tshisekedi möge nach Beni kommen und den Massakern der Rebellenarmee ADF (Allied Democratic Forces) ein Ende setzen. „Ich fürchte, wir wurden falsch verstanden“, sagt jetzt Kasereka Mulwahali, einer der Anführer.

Denn in Reaktion darauf kam Präsident Tshisekedi zwar nicht nach Beni, aber er hat über die Region das Kriegsrecht verhängt. Am Donnerstag bereits hatte er in der Hauptstadt Kinshasa „starke Maßnahmen“ angekündigt und in Bezug auf den Schülerprotest von Beni „die Manipulation dieser Kinder durch Politiker“ verurteilt.

Dabei stützten nicht Politiker, sondern Benis Frauen den Schülerprotest. Frauengruppen brachten den Kindern Essen und organisierten einen eigenen Protestzug, den die Polizei gewaltsam auflöste, als er zum Gelände der UN-Mission zog. Danach stürmte die Polizei auch das Protestcamp vor dem Rathaus, mit Peitschen und Tränengas. 67 Kinder wurden festgenommen. Am gleichen Tag beschloss Kongos Regierung das Kriegsrecht.

Kongos Präsident Félix Tshisekedi hat die am vergangenen Freitag angekündigte Verhängung des Kriegsrechts über die beiden ostkongolesischen Provinzen Nord-Kivu und Ituri offiziell bekräftigt. In einer Fernsehansprache an die Nation am Montag abend begründete er den Schritt mit der „Notwendigkeit, das Terrorproblem im Osten auf eine möglichst effiziente Weise anzugehen“. Er rief alle Kongolesen dazu auf, „Verantwortung“ zu beweisen und sich hinter die Armee zu stellen, und forderte die Bewohner der beiden betroffenen Provinzen dazu auf, „Volksfeinde zu denunzieren“.

Eine Reihe von Ordonnanzen führt aus, dass das Kriegsrecht am 6. Mai für vorerst 30 Tage in Kraft tritt und beliebig verlängert werden kann. Die zivilen Provinzregierungen und -parlamente von Nord-Kivu und Ituri sind suspendiert. Ein Militärgouverneur aus den Reihen der Armee und ein Vizegouverneur aus den Reihen der Polizei übernehmen die Macht mit Sondervollmachten; wer sie sind, ist noch nicht bekanntgegeben. Bürgerrechte und Bewegungsfreiheit sind eingeschränkt beziehungsweise aufgehoben.

Das alles schockiert die Menschen in Beni. „Wie kann man Kinder in Schuluniform verhaften?“, fragt der Jurist Elie Vahumawa, der die Schüler juristisch vertritt. „Das ist eine flagrante Menschenrechtsverletzung.“

Zur Auflösung des Frauenprotestes empört sich Diane Tudi, eine der Organisatorinnen: „Es war nicht geplant, die Monusco zu belagern. Wir wollten zum Rathaus gehen, um den Kindern den Rücken zu stärken, und dann zurück zum Kreisverkehr, um zu beten. Aber ein paar Zuschauer infiltrierten den Marsch und lenkten ihn in Richtung UN-Camp um.“

Die Behörden weisen die Vorwürfe zurück. „Wir brauchen alle Frieden, aber dafür Kinder einzusetzen, ist nicht gut“, sagt Benis Bürgermeister Modeste Bakwanamaha. „Vernünftige Eltern können das nicht zulassen. Der Platz der Kinder ist in der Schule.“

Benis Polizeichef, Oberst François Kabeya, weist Gewaltvorwürfe zurück: „Das sind falsche Beschuldigungen. Wir haben bloß die Ordnung wiederhergestellt. Die Kinder wurden nicht inhaftiert, sondern nur erkennungsdienstlich behandelt, da wir Informationen hatten, wonach es nicht alles Kinder waren.“

„Was macht die Armee eigentlich?“

Nun aber sind die Spannungen noch höher als sonst in Beni, in dessen Umland seit 2014 über 6.000 Menschen Massakern zum Opfer gefallen sind, hauptsächlich von der ADF verübt. Auch jetzt gehen die Massaker weiter, und Hinterbliebene bezichtigen die Armee der Tatenlosigkeit. „Sie fahren in ihren Pick-ups hin und her, aber was machen sie eigentlich?“, fragt eine Frau einer Familie, die um sechs getötete Angehörige im Dorf Mwenda trauert.

Am Samstagabend wurde mitten in der Stadt der Imam von Beni, Cheikh Ali Amin, in der Großen Moschee während seines Gebets zum Fastenbrechen im laufenden Ramadan erschossen. In diesem Teil Kongos gibt es eine kleine, alteingesessene muslimische Minderheit – sie steht nun im Fokus, weil die ADF einst in der muslimischen Minderheit des Nachbarlandes Uganda entstand und heute als islamistische Terrorgruppe gilt.

Der Imam von Beni, Führer der muslimischen Gemeinde der Region, war ein scharfer Kritiker der ADF, seine Predigten kursieren auf sozialen Netzwerken. Dass er einem Attentat zum Opfer fiel, verstehen die Menschen nicht, die ihn am Sonntag zu Grabe tragen.

Die Moschee liegt nur 400 Meter vom Armeehauptquartier von Beni entfernt. Eine Woche vor seinem Tod hatte der Militärgeheimdienst den Imam einbestellt und ihn gewarnt, sein Leben sei in Gefahr. Schutzmaßnahmen wurden keine getroffen.

Ein Trauernder bezweifelt, dass es wirklich die ADF war: „Wieso töten sie eine Einzelperson, wo sie doch sonst bei jedem Angriff Dutzende umbringen und mehrere Hundert Gläubige in der Moschee waren? Die Behörden müssen den Mörder finden, auch wenn es einer der ihren ist.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.