Reaktionen nach dem 1. Mai in Berlin: Kritik und Zuspruch für die Polizei

Nach der eskalierten 1.-Mai-Demo kritisiert die Oppostion den „Kuschelkurs“ des Senats. Grüne und Linke wollen den Polizeieinsatz aufarbeiten.

Viele Behelmte Polizist*innen laufen über eine gesperrte Straße

Das Demo-Bündnis warf der Polizei Eskalation vor Foto: dpa

BERLIN taz | Nach der gewaltsamen Auflösung der Revolutionären 1.-Mai-Demo durch die Polizei kam es zu Eskalationen, Stein- und Flaschenwürfen sowie brennenden Barrikaden auf der Sonnenallee. Schnell verbreiteten sich Bilder davon in den sozialen Medien. Am Ende standen 354 Festnahmen und zahlreiche Verletzte auf beiden Seiten. Reaktionen ließen am Tag danach nicht lange auf sich warten.

Autonome freuten sich über den größten Zulauf zur Demo seit 10 Jahren und sahen die Schuld für die Eskalation klar bei der Polizei. Die Demo sei deeskalativ geplant gewesen, was sich mit den Ansagen von Red­ne­r*in­nen und der Mobilisierung deckte. Abstände gemäß der coronabedingten Hygieneregeln seien vor allem schwierig geworden, weil die Polizei die Demo gestaucht hätte, wie es in einer Erklärung auf Indymedia hieß: „Sie griffen den anarchistischen und den Interkiezionale Block an und trennten beide vom Rest der Demo. Dazu behaupteten sie, dass keine Masken getragen wurden – was angesichts der vorbildlichen Vermummung wirklich das Letzte ist, was es zu beanstanden gäbe.“

Auch das Demo-Bündnis des Revolutionären 1. Mai wertete die Demo „mit mehr als 25.000 Menschen“ als Erfolg: Sprecherin Aicha Jamal sagte in einer noch am Abend verschickten Mitteilung: „Uns ist es gelungen, die Menschen in den angrenzenden proletarischen Kiezen anzusprechen und mit ihnen heute auf die Straße zu gehen – das ist ein Erfolg!“ Klassenkampf stehe angesichts der Coronakrise wieder auf der Tagesordnung, ebenso Wohnungs- und Verteilungsfragen. Die Polizeigewalt sei zu verurteilen.

Innensenator Andreas Geisel (SPD) sah das anders, lobte aber auch friedlichen Protest: „Die Normalität waren engagierte Bürgerinnen und Bürger. Die Ausschreitungen von gewaltsuchenden Autonomen dürfen die friedlichen Demonstrationen nicht diskreditieren.“ Die Polizei habe „die Lage den ganzen Tag unter Kontrolle“ gehabt. Man habe Hygieneregeln zum Schutz aller durchgesetzt und dafür gesorgt, dass sich die „sehr gewalttätigen Ausschreitungen nicht an andere Orte und Nebenstraßen ausbreiten“.

„Kuschelkurs mit der linken Szene“

Von der Polizeigewerkschaft GdP hieß es, man habe sich angesichts vieler Verletzter „von einem friedlichen 1. Mai wieder weiter entfernt haben“, wie GdP-Vize Stephan Kelm am Sonntag sagte. Abgesehen von der Demo am Abend sei es allerdings ruhig gewesen. Angesichts der Belastungen für die Polizei werde man sich „etwaige arbeitsrechtliche Verstöße genau anschauen“.

Der Fraktionsvorsitzende der Berliner CDU, Burkard Dregger, warf Geisel trotz des eskalativen Polizeieinsatzes einen „Kuschelkurs mit der linken Szene vor“. Die FDP forderte ein beherzteres Zugreifen und von vornherein schärfere Auflagen.

Der grüne Innenpolitiker Benedikt Lux twitterte noch am Abend der Ausschreitungen: „Diese massive Gewalt gegen die Polizei ist durch nichts zu rechtfertigen.“ Er wünschte den Einsatzkräften eine „besonnene Lagebewältigung und möglichst wenig Verletzte.“ Antje Kapek von den Grünen verurteilte am Sonntag die Gewalt und darüber hinaus auch „Antisemitismus, den einige De­mons­tan­t*in­nen gezeigt haben“. Man werde aber auch die Polizeitaktik im Innenausschuss aufarbeiten, so Kapek.

Niklas Schrader von der Linken kritisierte die Polizeitaktik als „nicht gelungen“. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Polizei die Demo in engen Abschnitten gekesselt und so die Abstände noch verringert habe. Zudem kritisierte er ein voreiliges Eingreifen der Polizei: Bei anderen Demos würden Teil­neh­me­r*in­nen in Bezug auf Hygienevorschriften zunächst ermahnt, hier sei die Polizei sofort eingeschritten – das sei eine „Ungleichbehandlung“ mit Blick auf die „Querdenken“-Demos.

SPD-Innenpolitiker Tom Schreiber sah in den Ausschreitungen einen weiteren Anlass, sich in der wissenschaftlich schwer zu haltenden und unterkomplexen Hufeisentheorie zu versuchen: „Linksextremisten & Rechtsextremisten ist Covid-19 egal. Beide stehen für Hass und Gewalt gegenüber Polizeivollzugskraften. Es sind Feinde der Demokratie.“

Der Regierende Bürgermeister Michael Müller bekundete, wütend zu sein über verletzte Be­am­t:in­nen und wünschte allen Po­li­zis­t*in­nen gute Besserung. Müller sagte, er habe „kein Verständnis, wenn einige Gewaltbereite die angespannte und schwierige Lage ausnutzen und Polizistinnen und Polizisten angreifen, zündeln und damit auch viele friedlich demonstrierende Menschen gefährden.“

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