1. Mai 2021 in Hamburg: Verbot und Chaos

Linker Protest zum 1. Mai war in Hamburg verboten, dennoch suchten sich viele ihren Weg auf die Straßen. Die Polizei reagierte gewaltvoll.

2 Personen sitzen auf der Straße, ein Wasserwerfer schießt seinen Wasserstrahl gezielt auf sie

Diese überflüssige Dusche ist man in Hamburg gewöhnt Foto: Martin Fischer/dpa

HAMBURG taz | Obwohl die Polizei sich Mühe gegeben hatte, Proteste zum 1. Mai zu unterbinden, suchten sich am Samstag tausende Menschen ihren Weg, dennoch zu demonstrieren. Auf Fahrrädern durchstreiften mehrere hundert Personen das Reichenviertel Pöseldorf, wo das Bündnis „Wer hat, der gibt“ drei Kundgebungen angemeldet hatte, die die Versammlungsbehörde unter Berufung auf den Infektionsschutz verboten hatte. Das Verwaltungsgericht bestätigte das Urteil trotz des umfangreichen Hygienekon­zepts.

Auch das Anarchobündnis „Schwarz-roter erster Mai“ durfte weder laufen noch eine stationäre Kundgebung abhalten. Rund 80 Personen versammelten sich am Mittag dennoch am Schlump, wurden aber nach hundert Metern von der Polizei gestoppt. Zwei kurzfristig angemeldete Kundgebungen für je 200 Personen verbot die Versammlungsbehörde im letzten Moment, aus Angst, diese könnten als Ersatz-Anlaufpunkte dienen. Die Folge waren dezentrale Proteste in der ganzen Innenstadt.

Was die Polizei nicht verhindern konnte, versuchte sie durch Übermacht und gewaltvolles Durchgreifen zu zerstreuen. Vor den Wallanlagen saßen rund 40 Personen über fünf Stunden in einem Polizeikessel fest, darunter mindestens eine Minderjährige. „Sie ließen uns nicht auf Toilette gehen, wir mussten in einen Gulli pinkeln“, sagt die 14-Jährige Polly der taz. „Die Po­li­zis­t*in­nen trieben uns immer enger zusammen, sodass wir gar keine Abstände mehr wahren konnten“, sagt Polly.

Minderjährige vier Stunden gekesselt

Auch hätten die Po­li­zis­t*in­nen selbst Abstände ignoriert, zum Teil keine medizinischen Masken getragen und sich nicht dafür interessiert, ob Verletzte oder Minderjährige im Kessel waren. Nach vier Stunden holte der Ermittlungsausschuss die 14-Jährige heraus. Die Polizei brachte sie aufs Kommisariat, wo ihre Eltern sie abholten. „Ich bin wütend und empört darüber, wie die Polizei unsere Rechte missachtet hat“, sagt Polly.

Am Nachmittag versammelten sich mehrere hundert Personen im Schulterblatt, eine Punkband spielte vom Balkon der Roten Flora. Dann räumten Wasserwerfer die Schanze. Während die Polizei ein positives Fazit zog, bilanzieren Ak­ti­vis­t*in­nen den Tag negativ: „Wer den Reichen an ihren Luxus will, muss sich auf Stress einstellen, das hat die Stadt mit der größten Millionärsdichte Deutschlands bewiesen“, sagt Carlotta Schmidt von „Wer hat, der gibt“. „Ohne den martialischen Polizeieinsatz wäre alles coronakonform abgelaufen, aber offenbar ist es der Innenbehörde wichtiger, linken Protest zu kriminalisieren.“

Auch Deniz Celik, innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion, kritisiert die „völlig unnötige Eskalation“ durch die Polizei. Sie habe damit der Pandemieeindämmung einen Bärendienst erwiesen. Der Sprecher des Linken-Landesverbandes, Keyvan Taheri, äußert Entsetzen über den Angriff auf die Versammlungsfreiheit. „Diese grundrechtsfeindliche Haltung des rot-grünen Senats ist für alle De­mo­kra­t*in­nen unerträglich“, sagt er.

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