Beziehungen Deutschland und China: Deutsche Leisetreter

Das Prinzip Wandel durch Handel ist gescheitert. Stattdessen führt China nicht nur die Bundesregierung an der Nase herum.

Zwei junge Frauen mit Einkaufstüten und Smartphone

China ist inzwischen auch ohne Demokratie wohlhabend und hat eine breite Mittelschicht ausgebildet Foto: Tingshu Wang/reuters

Lange herrschte in westlichen Politikkreisen einschließlich der deutschen Hauptstadt der Glaube, dass sich mit wachsendem Wohlstand und deshalb ständig größer werdender Mittelschicht im autoritär regierten China die Demokratie quasi von allein durchsetzen werde. Diese zum Naturgesetz erklärte Hoffnung drückt die Formel „Wandel durch Handel“ aus. Sie machte lukrative Chinageschäfte zu Akten der Demokratieförderung, ein geradezu kongenialer Streich des Export- und Moralweltmeisters Deutschland.

Inzwischen ist China recht wohlhabend und hat eine breite Mittelschicht herausgebildet. Doch wider Erwarten ist es von Demokratie und politischer Offenheit weiter entfernt, als es in den letzten 20 Jahren je war. Der Wohlstand hat das autoritäre KP-System mit dem inzwischen auf Lebenszeit amtierenden Xi Jinping weiter gestärkt.

Das erlaubt Peking, auch international aufzutrumpfen und Kritiker seiner Politik etwa in Xinjiang, Tibet, Hongkong oder im Südchinesischen Meer abzustrafen. China setzt andere Staaten unter Druck durch Schuldenfallen, plötzliche Boykotte oder gar militärische Drohungen. Die Formel „Wandel durch Handel“ nutzt das vor Selbstbewusstsein strotzende China nun für sich: Es setzt Handel als Hebel für politische Zugeständnisse ein und preist zugleich sein autoritäres System als Alternative zu den verunsicherten westlichen Demokratien.

Gegenüber Peking fällt bei der Bundesregierung eine zunehmende Leisetreterei auf. Dank der schwarzen Zahlen im Chinageschäft hat man darauf verzichtet, rote Linien in der Politik zu benennen, und reagiert erstaunlich leise etwa auf Chinas Einreiseverbote für Parlamentarier und Wissenschaftler. Und bei den jetzigen Regierungskonsultationen gab es nicht einmal mehr die sonst übliche gemeinsame Pressekonferenz.

Opportunistischer Handel

Statt europäischer Standards haben sich chinesische Verhaltensmuster durchgesetzt. Zuvor hatte Peking schon den Menschenrechts- und Rechtsstaatsdialog ausgesetzt, der für Berlin das gesichtswahrende Alibi der „Wandel durch Handel“-Formel war. Peking hat den Spieß einfach umgedreht.

Es wäre vermessen zu glauben, dass eine Politik der klaren Kante gegenüber China dort zu raschem Wandel führen würde. Menschenrechtspolitik ist das jahrelange Bohren dicker Bretter. Doch hängt die eigene Glaubwürdigkeit von der Einhaltung eigener Prinzipien und der Vertretung von Werten ab. Dies hat den Preis, nicht jedes mögliche Geschäft zu machen. Opportunistischer Handel führt zum Wandel der eigenen Politik – was darin resultiert, dass man auch von China nicht mehr besonders ernst genommen wird.

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Asienredakteur seit 1997, studierte Politologie in Berlin und Communication for Development in Malmö. Organisiert taz-Reisen in die Zivilgesellschaft, Workshops mit JournalistInnen aus Südostasien und Han Sens ASIENTALK. Herausgeber der Editionen Le Monde diplomatique zu Südostasien (2023), China (2018, 2007), Afghanistan (2015) und Indien (2010). Schreibt manchmal auch über Segeln. www.fb.com/HanSensAsientalk @SHansenBerlin

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