Seltene Solidarität einer Vermieterin: Medaillen an der Seele

Es gibt sie noch, die guten Menschen. Nach dem Aus für den Mietendeckel verzichtet die Vermieterin unserer Autorin auf die Rückzahlung der Differenz.

Ein Schlüssel mit herzförmigen Schlüsselanhänger steckt in einem Türschloss

Ein Happy End bei der Wohnungsmiete in Berlin Foto: Eyevisto/Imago

Am Donnerstag, 15. April, kurz vor halb zehn wurde der Mietendeckel, der in Berlin seit Ende 2020 galt, vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt. Um 11.15 Uhr schrieb mir die Immobilienfirma, die normalerweise im Auftrag meiner Vermieterin handelt, dass ich sofort die Differenz zu überweisen hätte.

Ich beschwerte mich bei Twitter darüber und bereits am Nachmittag schrieb meine Vermieterin mir und der Immobilienfirma, dass sie auf den Differenzbetrag verzichte. Danach schrieb sie mir eine private Mail und entschuldigte sich für die Immobilienfirma, die ohne ihr Wissen die erste Mail abgesetzt hatte.

Nicht nur das. Sie schrieb mir auch, dass ich weiterhin die Kaltmiete mit Mietendeckel zahlen soll. Ich war ziemlich baff und konnte nicht die richtigen Worte finden. Ich bedankte mich überschwänglich bei ihr und beschloss, diesen „Segen“ weiterzugeben an jemanden, der Schwierigkeiten hat, diese Mietnachzahlung sofort zu tätigen.

Auf Twitter freuten sich viele über diese Feel-Good-Geschichte. Eine Journalistin meldete sich sogar und wollte gerne mit meiner Vermieterin dazu sprechen. Ich schrieb meiner Vermieterin und erzählte ihr davon. Sie lehnte die Interviewanfrage ab und zitierte stattdessen aus ihrer Lieblingsgeschichte, in der es heißt: „Gutes wird getan, aber nicht gesagt. Und manche Medaillen hängen an der Seele, nicht an der Jacke.“

Nicht alles komplett verloren

Was ich jetzt gerade mache, ergibt nach diesem Zitat natürlich wenig Sinn, aber ich musste davon erzählen. Auch weil sich neben den positiven Stimmen auf Twitter immer mehr Menschen zu Wort meldeten, die die Geschichte nicht glauben wollen. „Geschichten aus dem Paulanergarten“ twitterten einige. Ein Code für eine unglaubwürdige Geschichte.

Andere konnten nicht glauben, dass die Firma einfach so eine Mail an die Mieterin schreibt, ohne Rücksprache mit der Vermieterin zu halten. Doch es ist alles genau so passiert. Es hat auch nichts damit zu tun, dass ich meine Vermieterin auf Twitter unter Druck gesetzt hätte.

Wenn das funktionieren würde, würde ich alle meine Probleme über Twitter regeln. Keine Rechnung würde jemals zu spät bezahlt werden, wenn ich meine Auf­trag­ge­be­r*in­nen über soziale Medien shamen könnte. Und an die, die glauben, ich hätte mir das alles ausgedacht: Wozu sollte ich diese Geschichte erfinden? Weil ich heimlich das Image der Ver­mie­te­r*in­nen verbessern will?

Ich glaube auch nicht, dass die nette Geste meiner Vermieterin etwas am strukturellen Problem des knappen Wohnraums etwas ändern wird. Aber in mir hat sie etwas verändert. Es war das Zeichen, das ich gebraucht habe, um zu wissen, dass nicht alles komplett verloren ist. Und dass es noch gute Menschen gibt, die Gutes tun und dafür nichts im Gegenzug erwarten.

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Journalistin, Speakerin und freie Kreative. Kolumne: "Bei aller Liebe". Foto: Pako Quijada

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