Neuseelands Auszeit nach Fehlgeburten: Freinehmen ohne Bedingung

Wer eine Fehlgeburt erleidet, kann in Neuseeland drei bezahlte Tage freinehmen. Wie wäre es mit einer bedingungslosen Auszeit für alle?

Illustration: Frau liegt zusammengekrümmt am Boden neben Babyspielzeug

Jede dritte Frau in Deutschland erleidet vor der zwölften Woche eine Fehlgeburt Foto: Ikon Images/imago

Wenn eine Frau in Neuseeland ihr Kind durch eine Fehlgeburt verloren hat, kann sie in Zukunft drei Tage freinehmen. Sie wird weiter bezahlt. Es ist unerheblich, wie lange sie schon schwanger war. Und ein zweiter Elternteil bekommt eine dreitägige Trauerzeit.

Die neuseeländische Regierung und ihre Chefin Jacinda Ardern wurden für diese neue Regelung weltweit bejubelt, weil sie wieder einmal gezeigt haben, wie fortschrittliche, feministische Politik aussieht: Freie, bezahlte Tage bekamen in Neuseeland bisher nur Frauen, die ab dem fünften Schwangerschaftsmonat ihr Kind verloren – und die Part­ne­r:in­nen nicht.

In Deutschland unterscheidet man anhand von Schwangerschaftswoche und Geburtsgewicht zwischen Fehlgeburt und Totgeburt. Nach einer Totgeburt bekommt man frei wie nach einer Entbindung. Spezielle freie Tage nach einer Fehlgeburt gibt es nicht. Spürt man danach eine seelische oder körperliche Belastung, kann man sich krankschreiben lassen.

Die Labour-Abgeordnete Ginny Andersen sagte in Neuseeland: „Die Trauer, die mit einer Fehlgeburt einhergeht, ist keine Krankheit, es ist ein Verlust.“ Sollten wir also fordern, dass auch in Deutschland freie Tage nach einer Fehlgeburt eingeführt werden? Sinnvoll wäre das. Die Frage kann man aber auch anders betrachten. Größer und allgemeingültiger.

Regelungen schließen Viele aus

Zu einem Menschenleben gehören Trauer und Verlust so wie Ereignisse, die schön sind und trotzdem anstrengend. Man kann als Person mit Uterus eine Fehlgeburt erleben. Man kann Familienangehörige und Freun­d:in­nen verlieren, weil sie sterben. Man kann umziehen oder heiraten. In Deutschland kann man sich in vielen dieser Fälle Sonderurlaub nehmen. Die maximalen Tage dafür sind gezählt (meistens: Hochzeit: 1; Tod vonEhepartner:in/ Lebensgefährte/Lebenspartner:in: 3; Geburt Väter: 1).

Diese Regelungen schließen viele aus. Manche heiraten nie und möchten dafür an einem Geburtstag oder dem Frühlingsbeginn das Fest ihres Lebens schmeißen. Das ist nicht das einzige Problem. Die Regelungen sind auch nicht besonders menschenfreundlich. Wer soll am vierten Tag nach dem plötzlichen Tod des geliebten Menschen wieder normal arbeiten gehen können?

In den vergangenen Jahren wurde viel über das bedingungslose Grundeinkommen diskutiert. Wie wäre es, wenn es auch eine bedingungslose Auszeit gäbe? Man bekommt Lohn, kann sich aber frei nehmen, weil man besonders belastet ist. So lange, bis man sich wieder imstande fühlt zu arbeiten. Mögliche Gründe werden nicht zuvor katalogisiert.

Alle entscheiden für sich, wann und warum sie eine Auszeit brauchen. Dann kommt ja überhaupt niemand mehr zur Arbeit? Es gibt Firmen, die bieten Mit­ar­bei­te­r:in­nen sogar den regulären Urlaub unbegrenzt an – und die Unternehmen laufen weiter. Die Leute haben sich durchschnittlich nur wenige Tage mehr frei genommen, als ihnen gesetzlich zustünde.

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Susan Djahangard arbeitet von Hamburg aus als freie Journalistin. Für die taz schreibt sie vor allem die Kolumne "Sie zahlt" über Feminismus, Geld und Wirtschaft.

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