Stahlwerk-Umbau in Richtung Klimaschutz: Lange Leitungen

Damit das Bremer Stahlwerk von Arcelor Mittal klimafreundlicher produzieren kann, braucht es jede Menge neuer Infrastruktur für Strom und Wasserstoff.

zwei menschen arbeiten im stahlwerk

Betrieben mit Koks sind die Hochöfen des Bremer Stahlwerks ein riesiger CO2-Emittent Foto: Carmen Jaspersen/dpa

BREMEN taz | Der Weg des Stahlwerks von Arcelor Mittal hin zu einer klimafreundlicheren Produktion wird immer konkreter. Bei der Sitzung der Bremer Klima-Enquetekommission am Freitag stand das Thema zum zweiten Mal auf der Agenda. Welche Schritte beim Stahlwerk anstehen, erklärte Enquetemitglied Felix Matthes vom Öko-Institut.

Im Rahmen der Fördermöglichkeiten der „Important Projects of Common European Interest“ (IPCEI) für Wasserstofftechnologien und -systeme habe Arcelor Mittal laut Matthes inzwischen einen Antrag eingereicht. In diesem gehe es um die Ersetzung einer der mit Koks betriebenen Hochöfen durch eine elektrische Schrottschmelze und um „das neue Herzstück des Stahlwerks: die Direktreduktionsanlage“. Diese mache aus Eisenerz Eisenschwamm –zunächst mit dem Einsatz von Erdgas, der Anteil von grünem Wasserstoff solle stetig steigen, erklärte Matthes.

Die Schrottschmelze solle den Hochofen bereits zwischen 2026 und 2028 ersetzen. So steht es im Zwischenbericht der Enquete aus dem März.

Aktuell pustet das Stahlwerk jährlich vier bis viereinhalb Millionen Tonnen CO2 in die Luft. Wenn man künftig bei der Direktreduktion auf Erdgas setze, so Matthes, sei eine CO2-Einsparung von bis zu 30 Prozent möglich. Wann man auf 60 Prozent Einsparung komme – das eigentliche Ziel –, werde davon abhängen, wie schnell klimaneutraler Wasserstoff verfügbar gemacht werden könne.

„Am Ende des Transformationsprozesses wird der zweite Hochofen außer Betrieb gehen“, sagte Matthes, auch der eingesetzte Strom solle schnellstmöglich grün werden. „Wir müssen also damit umgehen, dass wir große Mengen Strom und perspektivisch ganz viel Wasserstoff brauchen, für den Übergang auch signifikante Mengen von Erdgas.“

Im Januar 2020 haben alle Fraktionen der Bremischen Bürgerschaft gemeinsam die Enquetekommission „Klimaschutz“ eingesetzt.

Ihre Aufgabe: eine Klimaschutzstrategie für das Land Bremen zu entwickeln. Dabei soll sie sich am Pariser Klimaabkommen orientieren und konkrete Handlungsempfehlungen für einzelne Sektoren geben.

Die Kommission ist mit je neun Abgeordneten und von den Fraktionen eingesetzten Sachverständigen besetzt, entsprechend ihrer Fraktionsstärke im Landtag.

Sie tagte erstmalig im Mai 2020. Noch in diesem Jahr möchte sie einen Abschlussbericht vorlegen.

Für Bremen bedeutet das vor allem: Infrastruktur ausbauen. Denn wenn Arcelor Mittal am Ende des Prozesses am Bremer Standort weiterhin drei Millionen Tonnen Stahl jährlich produzieren will, braucht es dafür vier bis fünf Terawattstunden (TWh) klimaneutralen Wasserstoff – also solcher, der mit erneuerbaren Energien produziert wird.

Das sei etwa so viel, wie 15.000 Schwerlast-LKWs verbrauchen würden, wenn sie jährlich 120.000 Kilometer fahren. Aber es gebe bereits akuteren Handlungsbedarf: „Wenn die Direktreduktionsanlage hoffentlich spätestens 2026 in Betrieb genommen wird, wird diese im ersten Schritt sechs TWh Erdgas benötigen.“ Das sind 30 Prozent mehr, als alle bremischen Gebäude im Jahr 2017 verbraucht haben, sagt Matthes.

Nicht nur für Gas, sondern auch für Strom brauche es mehr Leitungen. Der Bedarf werde um zwei TWh steigen. Fast so viel, wie Haushalte und Dienstleistungssektoren in Bremen heute verbrauchen, sagte Matthes. „Und das nicht in ferner Zukunft, sondern im Jahr 2026.“

Dazu komme langfristig der Strombedarf für die bremische Herstellung von grünem Wasserstoff. Ein Viertel bis ein Fünftel des Bedarfs vom Stahlwerk solle damit gedeckt werden. Der Rest müsse aus dem norddeutschen Wasserstoffnetz bezogen werden; auch hierfür brauche es weitere Infrastruktur. Angesichts der oft langen Planungs- und Genehmigungszeiträume solcher Vorhaben fordert Matthes einen „Bremer Infrastruktur-Konsens, in dem sich die Parteien darauf verständigen, dass diese Projekte nicht unnötig verzögert werden“.

Daneben braucht es für beide Anlagen natürlich auch Geld: eine Milliarde Euro bis 2030; insgesamt rund zwei Milliarden. Diese müssten von Bremer Ak­teu­r*in­nen auf Bundes- und EU-Ebene gesichert werden.

Die fast 200 Anträge zu den IPCEI-Projekten überstiegen die verfügbaren Mittel um ein Vielfaches, sagte am Freitag der Referent Thorsten Herdan vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Carsten Sieling (SPD), Enquetemitglied und stellvertretender Vorsitzender, zeigt sich auf Nachfrage der taz aber optimistisch: „Nach den mir vorliegenden Informationen ist der IPCEI-Antrag gut vorbereitet und es gibt keinen Anlass, an seinem Erfolg zu zweifeln.“

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