Angela Merkel bei Anne Will: Planlos und drohend

Die Kanzlerin geht nur in Talkshows, wenn sie in Schwierigkeiten steckt. Bei Anne Will hat sie den Länderchef:in­nen gedroht – und Armin Laschet eine Botschaft gesendet.

Angela Merkel sitzte bei Anne Will, spricht und gestikuliert

Leicht verschwurbelte Ansagen von Merkel bei Anne Will in Richtung Düsseldorf Foto: Wolfgang Borrs/dpa

Die Kanzlerin geht nur in Talkshows, wenn sie in Schwierigkeiten steckt. Das war bereits im Flüchtlingsstreit so. Jetzt häufen sich die Schwierigkeiten wieder. Die dritte Welle der Pandemie nimmt an Fahrt auf. Die Umfragewerte für die Union rauschen in den Keller, das Kanzleramt ist im September in Gefahr. Und Merkel droht zum Ende ihrer Kanzlerschaft als eine dazustehen, die es nicht schafft, für die Pandemie eine Lösung zu finden und sich im Kleinklein zu verlieren.

Also nun ein Befreiungsschlag bei Anne Will? Die letzte verheerende Ministerpräsidentenkonferenz nannte Merkel eine „Zäsur“. Doch einen Plan hat sie nicht. Sie denke nach, wie es weitergehen soll, sagte sie.

Vor den Fernsehbildschirmen dürften sich viele die Haare gerauft haben. Nachdenken? Nach einem Jahr Pandemie und den vielen Abend- und Nachtsitzungen der MPK? Nach dem Desaster mit der Osterruhe und ihrer Entschuldigung? Es hätte die Verkündung eines Plans und einen Aufbruch gebraucht, doch beides gab es nicht. Das ist die schlechte Nachricht.

Allerdings hat die Kanzlerin den MinisterpräsidentInnen deutlich gedroht. In der ihr eigenen, mitunter etwas verschwurbelten Weise – aber unmissverständlich. Wenn die Länder nicht liefern, sprich: bei einer über 100 liegenden, weiter steigenden Inzidenz die vereinbarte Notbremse ziehen, werde sie das Problem auf Bundesebene anpacken. Eine Möglichkeit wäre, so Merkel, das Infektionsschutzgesetz zu ergänzen.

Laschets Fehler, Merkels Kritik

Dann könnten aus den Verabredungen in der MPK gesetzlich verpflichtende Maßnahmen werden. Das müsste zwar durch den Bundesrat – und damit von den Ländern – beschlossen werden. Doch die Dynamik in der Länderkammer ist anders als bei den Runden im Kanzleramt. Auch reicht hier die einfache Mehrheit, während in der MPK Einstimmigkeit hergestellt werden muss.

Der Schritt ist überfällig. Einzelne MinisterpräsidentInnen halten sich nicht an die von ihnen selbst mitgetragenen Entscheidungen oder legen sie zumindest sehr flexibel aus. Dass dies im Superwahljahr besser wird, ist kaum zu erwarten. Manche LänderchefInnen reden weiter über mögliche Lockerungen. Das ist in dem Moment, in dem Deutschland mit Wucht in die dritte Welle rast, das falsche Signal.

Zwei CDU-Ministerpräsidenten kritisierte die Kanzlerin deutlich. Den Saarländer Tobias Hans, der Anfang April im ganzen Land Lockerungen verspricht. Und Armin Laschet, der gegen die Beschlüsse verstoße, weil er die Notbremse nicht landesweit durchsetzen will. Laschet ist nicht nur Regierungschef in NRW, sondern auch der Vorsitzende der CDU, der Kanzlerkandidat der Union werden will. Bislang sprach viel dafür, dass er dies auch wird. Sollte es anders kommen, hat Merkels Auftritt bei Will daran gehörigen Anteil.

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Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.

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