Nach Feuertod von 55.000 Schweinen: Kritik an Backhaus' „Stall 4.0“

Mecklenburgs Agrarminister plant, die abgebrannte Sauenanlage in Alt Tellin als „Modellstall“ neu zu genehmigen. Tierschützer lehnen das ab.

Viele schweine vor einer brennenden Halle.

Der Schweinezuchtbetrieb in Alt Tellin beim Brand am 30. März Foto: Stefan Sauer/dpa

BERLIN taz | Umwelt- und Tierschützer kritisieren, dass Mecklenburg-Vorpommerns Agrarminister Till Backhaus einen Wiederaufbau der abgebrannten Schweinezuchtanlage in Alt Tellin in veränderter Form zulassen will. Der Betreiber der „Ferkelfabrik“, die zu den größten Europas gehörte, habe jahrelang gegen Tierschutz- und Umweltrecht verstoßen, sagte am Donnerstag Corinna Cwielag, Landesgeschäftsführerin des Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND).

„Das Vertrauen in diese Tierhalter ist restlos aufgebraucht.“ Patrick Müller, Referent des Tierschutzverbands Provieh, ergänzte, die Firma habe in der Vergangenheit ihre „besondere Unzuverlässigkeit und Gnadenlosigkeit gegenüber Lebewesen bewiesen“.

In den 18 Stallgebäuden der Sauenanlage im Landkreis Vorpommern-Greifswald waren am 30. März 55.000 Schweine teils lebendig verbrannt. Viele Sauen konnten nicht entkommen, weil sie, wie in der Branche üblich, in Käfigen („Kastenständen“) steckten, die kaum größer waren als sie selbst. Der BUND klagt seit 2012 vor Gericht gegen die Genehmigung für die von dem holländischen Agrarindustriellen Adrianus Straathof erbaute Anlage, unter anderem, weil der Brandschutz mangelhaft gewesen sei. „Anlagen dieser Größenordnung sind nicht beherrschbar“, so Provieh.

Noch am 9. April erklärte Backhaus (SPD) in der taz, er würde einen Wiederaufbau der Ferkelfabrik nicht unterstützen. Am 14. April teilte er dann aber mit: „Es soll dort eine Modellanlage der Zukunft entstehen – ein ‚Stall 4.0‘. Mein Anspruch ist eine bodengebundene Landwirtschaft mit 2 Großvieheinheiten je Hektar.“ Das würde bedeuten, dass der Betrieb für jede Sau mit kleinen Ferkeln 0,2 Hektar Land haben müsste. Solche Limits können die Größe derartiger Anlagen und damit die Belastung von Luft und Wasser in der Umgebung begrenzen. Außerdem könnte das Futter vor Ort angebaut werden, statt es etwa aus Südamerika zu importieren, wo für Sojafelder mitunter Regenwald gerodet wird.

Fahrlässige Brandstiftung?

„Das reicht nicht aus, weil es nichts darüber aussagt, wie die Tiere gehalten werden“, monierte Provieh-Aktivist Müller. Es sei nicht erkennbar, dass der derzeitige Betreiber, die LFD Holding, die Haltungsbedingungen verbessern wolle. Die Schweine müssten künftig Auslauf und mit Stroh eingestreute Ställe bekommen, forderte BUND-Geschäftsführerin Cwielag. Wenn die LFD künftig Ackerfläche nachweisen müsste, würde das Land anderen Bauern weggenommen werden, kritisierte sie. „Wir brauchen Bestandsobergrenzen je Betrieb“, sagte die Umweltschützerin.

Der Deutsche Tierschutzbund äußerte sich in einer Stellungnahme am Donnerstag zwar nicht zur Betreiberfirma. Er forderte jedoch, dass „die tierschutzwidrigen Kastenstände verschwinden, die Sauen frei abferkeln können und eine Gruppen- sowie Auslaufhaltung ermöglicht wird.“

Die Staatsanwaltschaft Stralsund teilte unterdessen mit, dass sie „wegen des Verdachts der fahrlässigen Brandstiftung gegen Unbekannt“ ermittele. Zudem habe die Behörde am Donnerstag ein Verfahren der Staatsanwaltschaft Neubrandenburg übernommen, bei der die Tierrechtsorganisation Peta Strafanzeige unter anderem wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz erstattet habe.

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