Coronamaßnahmen in Hamburg: Ausgangssperre frauenfeindlich

Wer nach 21 Uhr noch draußen joggen oder spazieren gehen will, muss das allein tun. Wer sich nicht traut, hat Pech gehabt.

Frau geht an beleuchteter Betonwand entlang

Nächtliche Bewegung auf der Straße ist in Hamburg seit 1. April nur allein erlaubt Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

HAMBURG taz | Hamburg hat in dieser Woche Ausgangssperren eingeführt. Ab 21 Uhr darf keiner ohne triftigen Grund auf die Straße. Bis fünf Uhr früh. Doch keine Regel ohne Ausnahme. Und die gilt nach Beschluss des männerdominierten Senats für Personen, die sich körperlich bewegen. Damit sind Spaziergänger und Jogger gemeint oder jene, die den Hund Gassi führen.

Allerdings: Allein sollen sie dabei sein. Paare müssen also getrennt das Haus verlassen und um die Häuser ziehen. Senatssprecher Marcel Schweitzer erklärt dazu: „Diese Regelung ist keine Einladung zum Spaziergang.“ Sie sei eine eng auszulegende Ausnahme für jene, die „zum Beispiel nur eine kleine Wohnung ohne Balkon oder Garten sowie ein eng getaktetes Leben haben – und die vor 21 Uhr keinen Moment Ruhe in ihrem Alltag hatten“.

Mache eine solche Person mal nach 21 Uhr eine Runde um den Block, sei das „in Ordnung“ und werde von der Polizei zur Kenntnis genommen, so Schweitzer. Jeder, der nachts draußen ist, nehme in Kauf, von der Polizei angesprochen zu werden.

Doch wer einen nachts im Dunkeln außer den netten Beamten noch so alles ansprechen kann, ist für manchen und insbesondere für manche noch viel abschreckende: Für Frauen, die keinen wehrhaften Hund dabei haben, mag diese Runde um den Block alles andere als erholsam sein, wenn sie feststellen, wie einsam man auf den Straßen in Zeiten der Ausgangssperre ist. Und der Partner oder die Partnerin, mit denen man sich eben noch in der Wohnung legal treffen konnte, darf einem vielleicht zufällig auf der Straße begegnen, einen jedoch keinesfalls begleiten.

Berlin erlaubt den Ausgang zu zweit

Das ist feindlich gegenüber Menschen, die sich nachts nicht allein nach draußen trauen, weil sie vielleicht, wie die Autorin, schon einmal nachts angefallen wurden. Solche Erfahrungen bleiben haften. Solche Ängste haben überwiegend Frauen. Deshalb ist diese Nur-allein-rausgehen-Regelung frauenfeindlich.

Dazu sagt Senatssprecher Schweitzer, man habe den Aspekt des „allein“ diskutiert und sei zu dem Schluss gekommen, dass die getroffene Regel „das niedrigste Infektionsrisiko in sich birgt“. Alle anderen Risiken blieben dabei anscheinend leider auf der Strecke.

Berlin zeigt übrigens, dass es auch anders geht. Dort dürfen Menschen zu zweit raus.

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