Anselm Lenz schmückt sich mit Batseba N’Diaye

Niemand hat die Frau mit dem westafrikanischen Namen je gesehen, die angeblich mit dem Verschwörungsideologen publiziert. Vieles spricht dafür, dass es sie nicht gibt

Eine schwarze Frau im Umfeld von Lenz wäre nicht unentdeckt geblieben

Von Erik Peter

Anselm Lenz reicht es schon lange. Der ehemalige freischaffende Künstler und Journalist initiierte vor einem Jahr mit den Hygienedemos am Rosa-Luxemburg-Platz die verschwörungsideologischen Proteste gegen die ­Coronapolitik. So lange schon wittert er die Revolution. Einerseits die durch das „Regime“, das seiner Meinung nach Bürgerrechte und Demokratie abschaffen will. Andererseits hofft er auf den Aufstand derjenigen, die seine Wahrheit erkannt haben.

Lenz versucht nach Kräften, seinen Beitrag zu leisten: umtriebig, aufbrausend, mit enormem Mitteilungsdrang – und zunehmend radikaler. Am Montag ist er dabei, wenn das neue Protestprojekt „#Esreicht“ zur ersten Ausgabe einer „Montagsdemo“ vor dem Brandenburger Tor ruft.

Zwei treue Begleiter hat er dabei an seiner Seite: Einer davon ist der Dramaturg Hendrik Sodenkamp, der stillere Schatten von Lenz, der mit ihm bereits bei dem 2014 ins Leben gerufenen Politkunstprojekt Haus Bartleby und dessen Kapitalismustribunal wirkte. Zweitens begleitet ihn, so steht es auch in Lenz’ Wikipedia-Eintrag, Batseba N’Diaye. Mit ihr zusammen verfasst er Artikel, die etwa bei KenFM erscheinen. Mit ihr und Sodenkamp gibt Lenz – so steht es im Impressum – die Bewegungszeitung Demokratischer Widerstand heraus, die er mit der für ihn typischen Übertreibung gern „die größte Wochenzeitung Europas nennt“.

Aber wer ist die Frau mit dem westafrikanischen Familiennamen, der besonders in Senegal massenhaft verbreitet ist?

Laut ihrem Facebook-Profil kommt N’Diaye aus dem Taunus, lebt in Hamburg, hat für das äthiopische Institute for Peace and Security Studies gearbeitet und ebenfalls am Kapitalismustribunal mitgewirkt. Bei KenFM heißt es dagegen: „Sie ist Mutter und arbeitete bis zum Beginn des Corona-Regimes als Altenpflegerin in Berlin.“ Auf ihre Handvoll Facebook-Posts haben lediglich das Haus Bar­tleby und Sodenkamp reagiert. Ein Bild gibt es von ihr nicht. Die taz hat einige Kenner der Proteste befragt: Alle kennen ihren Namen, doch niemand hat sie je gesehen. Eine schwarze Frau im Umfeld von Lenz und Sodenkamp wäre nicht unentdeckt geblieben.

Ein Blick in die wenigen Texte, die N’Diaye als Alleinautorin verfasst haben soll, lässt eine große Ähnlichkeit mit der Tonalität von Lenz erkennen – stets mit größtem Pathos und dickstem Hammer. Die Coronapolitik etwa ziele auf die „Vernichtung sämtlicher zivilisatorischer Standards zugunsten eines kriminellen Pharma- und Kontrollregimes“, schreibt sie. Oder: „Die einstige Öko-Tageszeitung taz, die nicht anders als neofaschistisch bezeichnet werden kann“. In diesem emotionalisierenden Stil arbeitet sich auch Lenz an der taz ab. Bis zu seinem Coming-out als Verschwörungsideologe schrieb er als freier Autor auch für die taz Berlin.

Einer, der N’Diaye kennen müsste, ist Jörg Petzold, der mit Lenz und dessen ehemaliger Lebensgefährtin Alix Faßmann einst das Haus Bartleby begründete, sich aber ebenso wie Faßmann von ihm heute distanziert. Auf taz-Anfrage sagt er, der Name N’Diaye sei „aufgetaucht, als wir am Tribunal gearbeitet haben“. Für die Abschlussgala der künstlerischen Kapitalismusanklage am Wiener Theater Brut stand N’Diaye als Sängerin im Programm. Petzold jedoch sagt, diesen Auftritt habe es nicht gegeben. Seine Erklärung: „Batseba N’Diaye ist keine reale Person, sondern wurde von Anselm Lenz 2016 erfunden.“ Eine weitere Person, die damals beteiligt war, bestätigt das auf Anfrage der taz.

Einmal zumindest trat aber eine Person mit diesem Namen in Erscheinung, bei einem Interview, das der Journalist Peter Nowak für den Freitag mit den Haus-Bartleby-Aktivist*innen Lenz, Sodenkamp, Alix Faßmann und N’Diaye führte. Auf Nachfrage erinnert sich Nowak und sagt: „Also zumindest war es eine reale Person, die unter den Namen dort auftrat.“ Sie soll auch gesagt haben, dass es sich bei N’Diaye um einen Künstlernamen handele. Nichts aber spricht dafür, dass die Person aus dem Interview heute an Lenz’ Seite die Revolution he­rauf­beschwören will.

Petzold kann sich vorstellen, warum Lenz, schon immer ein Spieler mit Scheinwelten, N‘Diaye mitbrachte in sein Dasein als Protestler gegen Anti-Corona-Maßnahmen: „Es ist super, so einen Namen zu haben, wenn es darum geht, Dinge salonfähig zu machen, die eindeutig rechte Positionen sind.“

Damals beim Kapitalismustribunal diente die erfundene Mitstreiterin womöglich als Alibi gegen Eurozentrismusvorwürfe. Heute soll sie den Aktivisten Lenz, der seine linke Vergangenheit längst hinter sich gelassen hat, davor bewahren, gänzlich in die rechte Ecke gestellt zu werden. Tatsächlich hat sich Lenz seit Beginn des Demokratischen Widerstands rechter Narrative bedient – von Lügenmedien bis zur von Eliten gesteuerten Verschwörung – und der Teilnahme rechter Prot­ago­nis­t*in­nen nicht widersprochen.

Zum Jahrestag der Rosa-Luxemburg-Platz-Proteste vor einer Woche drohte Lenz auf der Bühne, Menschen „zur Rechenschaft“ zu ziehen, die für Schäden bei seinen Mit­strei­te­r*in­nen verantwortlich seien. Am Montag wagt er seinen nächsten Schritt als rechtsgedrehter Aktivist. Bei „#Esreicht“ will er neben dem Herausgeber des rechtsextremen Compact-Magazins, Jürgen Elsässer, dem ehemaligen baden-württember­gischen AfD-Abgeordneten und QAnon-Anhänger Heinrich Fiechtner und anderen Scharf­ma­che­r*in­nen der Szene sprechen. Seine Alibikomplizin wird nicht mit auf der Bühne stehen.