Berliner Versammlungsfreiheitsgesetz: „Reines Büroversehen“

Versammlungsbehörde erteilt „Deutsche Wohnen & Co Enteignen“ falsche Auskunft. Grüne und Linke fragen den Innenstaatssekretär nach den Gründen.

Demonstrationszug gegen steigende Mieten in Berlin

Eine von rund 5000 Versammlungen im Jahr in der Hauptstadt: Demo gegen steigende Mieten Foto: dpa

BERLIN taz | Die Hauptstadt hat seit Ende Februar bekanntlich ein neues Versammlungsfreiheitsgesetz. Es sei das liberalste in der Bundesrepublik – Grüne und Linke betonen das gern. Schließlich haben sie es dem Koalitionspartner SPD abgetrotzt. Vom Herzstück der rot-rot-grünen Innenpolitik ist die Rede. Aber was nützen all die schönen Bestimmungen, wenn die Polizei nicht mitspielt?

Da gab es etwa folgenden Fall: Am 13. März hatten Unterstützer von „Deutsche Wohnen & Co Enteignen“ eine Versammlung in der S-Bahn-Halle am Ostkreuz angemeldet. Die Versammlungsbehörde teilte den Anmeldern mit, um sich dort zu versammeln, bedürfe es „der ausdrücklichen Erlaubnis des Verwalters der Liegenschaft“.

Diese Auskunft war falsch. Denn Paragraf 20 des Versammlungsfreiheitsgesetzes besagt: Öffentliche Versammlungen dürfen auf privatrechtlich betriebenen Verkehrsflächen durchgeführt werden, wenn diese der Allgemeinheit geöffnet sind und die Grundstücke überwiegend von der öffentlichen Hand beherrscht werden. (Das gilt ganz klar auch für Bahnhöfe).

Eine Zustimmung der Eigentümer sei nicht erforderlich, heißt es weiter in dem Gesetzestext. Und: Die Versammlungsbehörde unterrichtet die Eigentümer von der angemeldeten Versammlung.

Falsche Auskunft

Irritiert über das Vorgehen der Versammlungsbehörde hakten Grüne und Linke bei der Innenverwaltung nach. Der Fall am Bahnhof Ostkreuz sei nicht der einzige gewesen, berichtet der Linken-Abgeordnete Sebastian Schlüsselburg der taz. Er wisse von mehreren Situationen, in denen Anmelder von „Deutsche Wohnen & Co Enteignen“ von der Versammlungsbehörde per Mail falsche Auskunft bekommen hätten: „Das ist nicht nur ärgerlich, es sorgt auch für Verunsicherung.“

In zwei schriftlichen Anfragen, eine davon mit Benedikt Lux (Grüne), hat Schlüsselburg sich nach der Umsetzung des Versammlungsfreiheitsgesetzes erkundigt. In diesem gibt es für die Polizei noch mehr gewöhnungsbedürftige Neuerungen. Die Antwort von Innenstaatssekretär Torsten Akmann (SPD) vom 5. März könnte man so zusammenfassen: Keine Sorge, wir haben das im Griff.

Schließlich, so Akmann, gäben die Regelungen zumeist den aktuellen Stand der Rechtsprechung wieder. Das Deeskalationsgebot beispielsweise sei ein schon seit Jahren fest verankerter und gelebter Grundsatz in der Berliner Polizeipraxis. Im Übrigen werde die Polizei seit letztem Herbst geschult, was Neuerungen betreffe.

Schlüsselburg ließ nicht locker. Wie dann der falsche Hinweis bezüglich der Ringbahnhalle zu erklären sei? Akmanns Antwort, im Abgeordnetenhaus am 31. März eingegangen, liegt der taz exklusiv vor: Es handele sich „um ein reines Büroversehen“, schreibt der Innenstaatssekretär. Aha. Das sei eine „sehr blumige Umschreibung für eine rechtswidrige Auskunft“, findet Schlüsselburg. Mit Argusaugen werde der Gesetzgeber darüber wachen, dass das nicht noch mal passiere, kündigt der Linkenpolitiker an.

Gesetzgeber, das ist wohl eine blumige Umschreibung für Schlüsselburg und Lux.

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