Gleichstellung im Radsport: Wo bleibt die Tour der Frauen?

Die Bahnrad-Weltmeisterin Emma Hinze fordert eine „Tour de France“ für Frauen. Damit ist sie nicht allein. Weiblicher Radsport hat Tradition.

Zwei Profiradfahrerinnen auf der Strecke

Schweizermeisterschaft 2020 der Frauen: Linda Indergand und Elise Chabbey Foto: Manuel Geisser/imago

Emma Hinze, dreimalige Bahnrad-Weltmeisterin, hat sich recht diplomatisch geäußert: „Es wäre cool, wenn auch Frauen so ein Rennen hätten, das über mehrere Tage geht und man auch im Fernsehen schauen kann“, hat sie gesagt. Was Hinze damit meinte: eine Tour de France für Frauen.

Falls Sie nicht regelmäßig Radsport verfolgen: Sie erschrecken zu Recht! Nein, es gibt tatsächlich keine weibliche Tour de France. Hat es nie gegeben. Es gab Rumpfformate unter verschiedenen Namen; das letzte ging 2009 zu Ende, litt unter zu wenig Geld und Sponsoren und durfte auch nicht „Tour“ heißen.

Dabei war das Rad ein wichtiges, nun ja, Vehikel der Emanzipation für Frauen. Mit dem Rad, ab den 1890er Jahren auch für ärmere Frauen erschwinglich, erlangten Frauen Bewegungsfreiheit und Unabhängigkeit vom Ehemann. Und weil es sich im Kleid schlecht strampeln ließ, half das Rad dabei, einige Bekleidungsvorschriften hinwegzufegen. Ende des 19. Jahrhunderts gab es, heute klingt das fast radikal progressiv, weibliche Radsportstars und in einigen Ländern sogar weibliche Profis. Dann wurden die Frauen mit Verboten wieder verdrängt; in Westdeutschland bis 1967. Der Osten war, wie so oft in dieser Hinsicht, progressiver.

Mittlerweile hat sich die Gleichberechtigung verbessert: Der Weltverband hat eine eigene Rennserie für Frauen, in der auch, so berichtet es Eurosport2020, Mindestgehälter gezahlt würden und es zunehmend professionell zugehe. Allerdings: Vom wichtigsten Frauenrennen, dem Giro d’Italia Femminile, wurde 2020 keine Sekunde im TV gezeigt. Die Sender hätten halt keinen Platz gehabt.

Ausgerechnet die Pandemie zeigt wie es geht

Schon lange kämpfen Radsportlerinnen für eine eigene Tour de France. Gerne übrigens kürzer – sonst seien die Leistungsunterschiede zwischen den Frauenteams noch zu groß, berichtet der Deutschlandfunk. Die Protestgruppe Donnons des Elles au Vélo fährt schon seit 2015 jedes Jahr vorab die Tourstrecke der Männer.

Emma Hinze fordert also in guter Gesellschaft. Fortschritt kam ironischerweise während der Pandemie: Die Tour de France 2020 wurde virtuell ausgetragen, von Männern und Frauen, die im Zimmer strampelten. Und es scheint, als ob Tourveranstalter ASO dem Druck nachgibt. Für 2022 hat er eine kürzere Tour für Frauen angekündigt. Ob es sie aber geben wird und ob sie dann auch „Tour“ heißen darf, bleibt unklar.

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