Kompetenzstreit in der Coronapolitik: Merkels Möglichkeiten

Im Kampf gegen die Pandemie hat die Kanzlerin sanften Druck auf die Länder angekündigt. Doch sie könnte auch einen härteren Weg einschlagen.

Merkel ballt die Fäuste

Merkel ballt die Fäuste Foto: Michael Kappeler/dpa

Irgendwann in den nächsten Wochen werden härtere Coronamaßnahmen kommen, auf dem einen Weg oder dem anderen. Die Infektionszahlen steigen schließlich an, und erfahrungsgemäß wird sich daran nichts ändern, solange der Staat auf neue Restriktionen verzichtet. Geimpft wird zu langsam, als dass sich die Entwicklung kurzfristig umkehrte. Und Modellprojekte wie in Tübingen machen zwar Hoffnungen darauf, dass bei niedrigen Infektionszahlen eine kontrollierte Normalität möglich wird. In weiten Teilen des Landes sind die Zahlen aber nicht niedrig.

Also lässt sich mit einiger Wahrscheinlichkeit voraussehen, was als Nächstes passiert: Die Zahl der Neuinfektionen verdoppelt sich, die Intensivstationen erreichen die Grenzen der Belastbarkeit, die Krematorien mit etwas Verzögerung vielleicht auch. In der zweiten Coronawelle, im Dezember, war das der Zeitpunkt, zu dem der Druck der Öffentlichkeit groß genug wurde und zu dem auch der letzte Ministerpräsident zur Einsicht kam, dass halbherzige Maßnahmen die Welle nicht brechen können. In der dritten Welle wird die Kraft des Faktischen zur Not wieder wirken. Besser wäre es aber, wenn diesmal früher etwas geschieht.

Drei Wege könnte es dafür geben. Bei Anne Will konnte man Angela Merkel dabei zusehen, wie sie darüber nachdenkt, welchen sie gehen soll. Die erste Möglichkeit wäre, den Druck so stark zu erhöhen, dass die Mi­nis­ter­prä­si­den­t*in­nen in der nächsten Bund-Länder-Runde neuen Maßnahmen zustimmen. Merkels ARD-Auftritt und ihre Drohung, andernfalls den Weg über die Parlamente zu gehen, waren ein Versuch in diese Richtung. Die Reaktion aus den Ländern am Tag danach zeigt aber: Gebracht hat es noch nichts.

Letzte Option Vertrauensfrage

Dass mag auch daran liegen, dass die Kanzlerin das sanftere von zwei möglichen Druckmitteln gewählt hat. Sollte sie den Weg über die Parlamente gehen und einen Lockdown per Bundesgesetz anstreben, dann will sie dabei die verfassungsrechtlich unumstrittene Abzweigung nehmen: Merkel sagte ausdrücklich, sie würde neben dem Bundestag auch den Bundesrat beteiligen. Anders als im bisherigen Verfahren bräuchte sie dort statt einem Konsens zwar nur eine Mehrheit der Stimmen. Diese Mehrheit müsste sie sich aber auch erst mal organisieren. Auch das braucht Zeit.

Die andere Abzweigung führt zum dritten Weg, der zwar riskanter ist, dafür aber möglicherweise am kürzesten: eine Entscheidung im Bundestag, ohne den Bundesrat. Verfassungsrechtlich wäre das umstritten, unmöglich aber nicht. Und politisch wäre es gewagt, aussichtslos aber auch nicht.

Ist sie sich einer Mehrheit hier nicht sicher, könnte sie es zur Not über die Vertrauensfrage versuchen: Entweder stimmt der Bundestag zu oder er wird aufgelöst. Neuwahlen im Früh- statt im Spätsommer? Das wird im Parlament nur eine Minderheit wollen.

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Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.

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