Heinrich-Böll-Stiftung in Sarajevo: Die, die keine Konflikte scheut

Marion Kraske verlässt den Posten als Leiterin der Böll-Stiftung in Sarajevo. Sie hinterlässt Spuren wie nur wenige in internationalen Organisationen.

Portrait Marion Kraske

Marion Kraske war als Leiterin der Heinrich-Böll-Stiftung in Sarajevo fast sechs Jahre vor Ort Foto: Jan-Philipp Strobel/picture alliance/dpa

SARAJEVO taz | „Mit denen werde ich mich doch nicht anlegen“ ist eine Position, die internationale Diplomaten in Sarajevo seit Jahren hinter vorgehaltener Hand äußern. Mit „denen“ meinen sie die Ethno-Nationalisten, die im Namen „ihrer“ Nation nicht zögern, auch Gewalt gegen ihre Gegner auszuüben. Diplomaten scheuen sich, Konflikte einzugehen, die ihrer Karriere schaden könnten, sie neigen dazu, ihre Zeit möglichst geräusch- und konfliktlos über die Bühne zu bringen, obwohl sie in Bosnien über erheblichen Einfluss verfügen.

Nicht so Marion Kraske. Sie war als Leiterin der Heinrich-Böll-Stiftung in Sarajevo fast sechs Jahre vor Ort. Diese Position ist zwar im Konzert der Diplomaten nicht besonders machtvoll, aber die 51-jährige Journalistin hat wie nur wenige Akteure der internationalen Organisationen in dieser Stadt und der Region nie den Konflikt gescheut. Die Autorin, Feministin und Umweltaktivistin war auch für Albanien, und Nordmazedonien zuständig.

So engagierte sie sich in der Organisation der von allen Religionsgemeinschaften bekämpften LGBT-Gruppen, bei der Unterstützung von Frauenprojekten und Umweltinitiativen, bei der Hilfe für eine sehr populäre Luftverschmutzungs-App (in Sarajevo „eko akcija“), sie analysierte die politischen Verhältnisse und ging stets in die kritische Diskussion mit Diplomaten und Journalisten.

Die in Iserlohn geborene Kraske verfügt über bosnisch-kroatische Wurzeln – ihre Mutter stammt aus der zentralbosnischen Region um Kreševo. Es ist ihr deutlich anzumerken, dass sie nationalistische Positionen einfach nicht ertragen kann. Weil der bosnisch-kroatische Nationalistenführer Dragan Covic und der starke Mann des serbischen Teilstaates Milorad Dodik die ethnische Aufspaltung der Gesellschaft immer weiter vorantreiben wollen, forderte sie vor allem von der EU und auch von Deutschland vehement Konsequenzen.

Bürgerbewegungen bedauern ihren Abgang

Ihr Vorwurf, dass die EU nicht in der Lage sei, europäische Grundwerte gegenüber den Ethnonationalisten in Bosnien und Herzegowina zu verteidigen, hat jene Diplomaten, die lieber mit den Nationalisten kungeln, durchaus verstört. Akteure der nichtnationalistischen Parteien und Bürgerbewegungen dagegen bedauern ihren Abgang.

Ihre Position ist über ihre Ausbildung und ihre Kenntnisse über Südosteuropa schon vor ihrem Engagement in Sarajevo gereift. Sie studierte in den frühen 90er-Jahren in Münster Politikwissenschaften und Slawistik. Sie ging in den Journalismus, arbeitete zuerst von 1995 bis 1997 bei der Deutschen Presseagentur. Als Redakteurin war sie von 1997 bis 2000 bei der ARD-Tagesschau, um dann zum Spiegel zu wechseln, erst online, dann ab 2005 als Redaktionsvertretung des Blattes in Wien mit Schwerpunkt Südosteuropa-Berichterstattung.

2006 heiratete sie ihren Mann Björn in Südafrika. Sie gründeten eine Familie, Kraske gebar ihre Tochter, das Paar adoptierte einen Jungen aus Russland. Nun hat die Politikwissenschaftlerin Sarajevo schweren Herzens verlassen – wegen der schulischen Ausbildung der Kinder zog sie zurück nach Deutschland und lebt jetzt in der Umgebung Hamburgs. Aber sicher ist: Als menschenrechtlich geprägte Balkanexpertin wird weiterhin von ihr zu hören sein.

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