GFZ-Chef fristlos entlassen: Erdbeben in der Forschungspolitik

Wegen Betrugsverdacht wurde dem langjährigen Chef des Geoforschungszentrums in Potsdam fristlos gekündigt. Die Ermittlungen laufen noch.

Reinhard Hüttl

Fristlos gekündigt: Reinhard Hüttl, langjähriger Leiter des Geoforschungszentrum (GFZ) in Potsdam Foto: Reiner Zensen/imago

BERLIN taz | Auf dem Potsdamer Telegrafenberg sind Deutschlands führende Erdbebenexperten versammelt: im Geoforschungszentrum (GFZ), einer Großforschungseinrichtung der überwiegend aus dem Bundesforschungsministerium finanzierten Helmholtz-Gemeinschaft. Kürzlich wurde dort ein ganz besonderes Beben registriert – nämlich eines mit forschungspolitischem Ursprung und dann noch im eigenen Hause.

Dem langjährigen Leiter des GFZ, Reinhard Hüttl, wurde im Januar vom Kuratorium des Instituts per fristloser Kündigung der Stuhl vor die Tür gestellt. Anlass dafür waren staatsanwaltschaftliche Ermittlungen wegen Vorwürfen der Veruntreuung, die allerdings noch nicht abgeschlossen sind. Der Sturz Hüttls ist in der jüngeren deutschen Wissenschaftspolitik beispiellos.

Hüttl ist vom Fach her Forst- und Bodenkundler und bekleidete auch eine entsprechende Professur an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU). Daneben häufte er viele Ämter an, zuletzt als Vizepräsident der Technikakademie Acatech oder der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW). Diese Funktionen ruhen derzeit.

Die Affäre begann, als Mitte letzten Jahres ein anonymer Hinweisgeber der Institutsaufsicht meldete, bei Hüttl gebe es Verstöße gegen die Vorschriften zur Verwendung öffentlicher Finanzmittel, die „Compliance-Regeln“. Dazu zählt auch die Offenlegung von bezahlten Nebentätigkeiten. Das Kuratorium des GFZ entschied im Oktober, dass Hüttl zunächst von seinen Tätigkeiten entbunden werde – bis hin zu dem Verbot, das Institut zu betreten – und übergab den Fall an die Staatsanwaltschaft im brandenburgischen Neuruppin.

Unzulässige Abrechnungen

Als diese im Januar 2021 die Durchsuchung von Hüttls Geschäfts- und Privaträumen anordnete, war das Fass übergelaufen. Die GFZ-Spitze beschloss, ihrem einstigen Chef fristlos zu kündigen; das zuständige Bundesforschungsministerium (BMBF) unterzeichnete den Trennungsvertrag.

Wie das Wissenschaftsmagazin Science, das Einblick in den Durchsuchungsbefehl der Staatsanwaltschaft erhalten hatte, in seiner Ausgabe vom 19. Februar berichtete, werden Hüttl drei Tatkomplexe zur Last gelegt. Der Wissenschaftler soll einerseits private Reisen und Restaurantessen beim GFZ und dem Zentrum für Energietechnologie Brandenburg (CEBra) unzulässigerweise abgerechnet haben.

Weiterhin soll er von der Braunkohlefirma Novihum Technologies Aktien für bestimmte Gegenleistungen erhalten haben. Am diffizilsten ist der „China-Komplex“, bei dem seit 2018 Geldbeträge von chinesischen staatlichen Stromnetzbetreibern an das Brandenburger Forschungsinstitut CeBra geflossen sein sollen.

Hüttl hat die Vorwürfe bisher zurückgewiesen. „Ich habe keine Vorteile gezogen“, erklärte er gegenüber Science. Ansonsten sei der Verlauf und das Ergebnis der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen abzuwarten. Ob es zu einer strafrechtlichen Anklage kommt, hat die Neuruppiner Behörde noch nicht entschieden.

Erste Konsequenzen

Unterdessen hat der Fall Hüttl in der Scientific Community, wie es sich für ein Erdbeben gehört, für erhebliche Erschütterung gesorgt. In den Forschungsorganisationen wird geprüft, ob die internen Compliance-Vorschriften ausreichen, um Überschreitungen zu verhindern. Die BBAW etwa hat sich dazu entschlossen, „ein geregeltes Verfahren für die Anzeige und Veröffentlichung von Interessenkonflikten einzuführen“, erklärte Akademiepräsident Christoph Markschies der taz.

Man habe „die wenigen Verträge, die mit dem GFZ geschlossen worden sind, alle sehr gründlich überprüft, und prüft ebenso die unter maßgeblicher Beteiligung oder Leitung von Herrn Hüttl entstandenen Veröffentlichungen“.

Das neue Verfahren orientiere sich am Fragebogen der National Academy of Sciences der USA. „Wir wollten in keinem Fall hinter die hier üblichen internationalen Standards zurückfallen“, betont der BBAW-Chef, und ergänzt auf die Frage nach seinem Urteil: „Ich persönlich werde das Geschehene erst dann bewerten, wenn die juristische Aufarbeitung des Falls abgeschlossen ist.“

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