Kritik an Mercosur-Abkommen: Autos gegen Rindfleisch

450 Organisationen fordern die Politik dazu auf, das Mercosur-Abkommen zu stoppen. Es gefährde das Klima sowie Tier- und Menschenrechte.

Demonstranten mit Transparenten mit den Aufschriften "Freihandel grillt Klima" (oben) und "Amazonas retten! EU-Mercosur-Abkommen stoppen» stehen vor der Brasilianischen Botschaft

Protestaktion gegen das Mercosur-Abkommen vor der brasilianischen Botschaft am Montag Foto: Annette Riedl/dpa

BERLIN taz | Der Widerstand gegen das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay wächst. Ein Bündnis aus 450 europäischen und südamerikanischen Organisationen hat am Montag in einer Erklärung dazu aufgerufen, das Abkommen zu stoppen. Es gefährde Klima, Umwelt, Tier- und Menschenrechte, heißt es darin. Die EU und Südamerika einigten sich bereits 2019 auf den Vertrag. Dieser soll jährlich vier Milliarden Euro Zölle streichen und damit den Import von Fleisch und Soja in die EU sowie den Export von Autos nach Südamerika erhöhen.

„Weder für die EU noch für die Mercosur-Staaten ist das Abkommen ein guter Deal“, sagte Bettina Müller von der Organisation PowerShift der taz. Durch den Vertrag würde noch mehr Regenwald abgeholzt werden, um Soja anzubauen und Weideflächen zu schaffen. „Das führt zur Vertreibung von Indigenen und Kleinbauern“, sagte Müller. Gleichzeitig schade der Vertrag den europäischen Landwirt*innen. „Sie können mit der Konkurrenz aus Südamerika einfach nicht mithalten“, zu günstig seien die importierten Nahrungsmittel.

Müller warnte außerdem davor, dass sich die Nutzung von Pestiziden in Südamerika deutlich verstärken werde, falls das Abkommen in Kraft treten sollte: „Bisher erheben die Mercosur-Staaten bis zu 35 Prozent auf von den Import von Pestiziden.“ Diese Zölle fielen durch das Abkommen weg, was gravierende Folgen für die Gesundheit der Menschen hätte, sagte Müller. „Wegen der Nutzung hochgefährlicher Pestizide besteht schon heute in vielen Regionen Argentiniens erhöhtes Krebsrisiko, auch Fehlgeburten, Atemwegs- und Hauterkrankungen häufen sich.“ Profitieren würden hingegen deutsche Pestizidhersteller wie Bayer oder BASF.

Für Ludwig Essig vom Umweltinstitut München ist das Abkommen ein „Paradebeispiel für Klimazerstörung“. Wer Autos gegen Rindfleisch tausche, verdränge die Klimakrise und das Artensterben. „Der Vertrag ist rückwärtsgewandt, das Parisabkommen wird mit keiner Silbe erwähnt“, kritisierte Essig.

Indigene verlieren ihr Zuhause

„Brasilien tritt die Menschenrechte schon jetzt mit Füßen“, sagte Sven Hilbig, Handelsexperte bei Brot für die Welt. Das Abkommen würde die Lage nochmals verschlechtern. „Es würde den Export von brasilianischem Stahl ankurbeln – und damit die Regenwaldabholzung“, sagte er. Dadurch verlören indigene Völker ihr Zuhause.

„Was viele nicht wissen: In Brasilien wird mehr Regenwald abgeholzt, um an Erz zu gelangen, als für die Landwirtschaft. Dort befinden sich die größten Eisenerzmienen der Welt“, sagte Hilbig. Um das Erz zu Stahl zu verarbeiten, verwendeten die Bra­si­lia­ne­r*in­nen zudem Holz- statt Steinkohle. „Hierfür wird ebenfalls Regenwald abgeholzt.“ Der Einsatz von Holzkohle mache den Stahl besonders flexibel, daher sei er vor allem in der deutschen Automobilindustrie beliebt.

Nicht nur Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen kritisieren das Abkommen, auch EU-Mitgliedstaaten wie Österreich, Frankreich, Belgien oder Luxemburg sowie das Europäische Parlament haben Bedenken geäußert. Die Europäische Kommission führt daher Gespräche mit den Mercosur-Ländern. Der Ratifizierungsprozess kann erst dann starten, wenn alle 27-Mitgliedsländer dem Vertrag zugestimmt haben.

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