Thelma Buabeng über deutsches TV: Keinen Diversity-Zirkus machen

Das deutsche Fernsehen wird diverser. Für Schauspielerin Thelma Buabeng („Five Souls“) braucht es jedoch dringend einen Strukturwandel.

Thelma Buabeng

Thelma Buabeng Foto: Sebastian Wirsching/Kanakfilm/SWR

Thelma Buabeng ist müde. „Ich habe keine Lust mehr, nur über Rassismus zu reden. Ich habe doch tausend andere Dinge zu erzählen. Warum lande ich ständig bei diesem Thema und lasse mich von meiner eigentlichen Arbeit ablenken?“ Gute Frage. Vielleicht hat es damit zu tun, dass Thelma Buabengs eigentliche Arbeit aus Schauspielen und Moderieren besteht. Sie ist zu sehen auf deutschen Theaterbühnen und im deutschen Fernsehen. Orten, an denen Frauen wie Buabeng, Schwarzen Frauen, üblicherweise zwei Rollen zuteilwerden: Entweder sie sollen die Betroffene spielen, die von ihren traumatischen Erfahrungen erzählt.

Oder den Token, das Aushängeschild des Auftraggebers, welches symbolisieren soll: Hallo, schaut mal, wie divers wir sind! Letzteres geschieht vor allem seit letztem Sommer, meint Buabeng. „Es ist makaber, aber seit George Floyd ermordet wurde, hören unsere Telefone nicht mehr auf zu klingeln. Plötzlich wollen alle mit uns arbeiten. Das geht auch vielen meiner Freund_innen so. Ich kann mir natürlich denken, warum.

Weil sie gesehen haben, oh, da gehen Tausende von Menschen auf die Straße zur Black-Lives-Matter-Demo. Das könnte doch unser Publikum sein!' Und jetzt casten alle plötzlich Schwarze. Es ist so absurd, weil teilweise andere Schauspieler_innen of Color einfach weggeschickt werden mit den Worten: ‚Nein! Es muss auf jeden Fall eine Schwarze Frau sein!‘“

Ist es nicht ein Grund zur Freude, dass in TV-Produktionen und Werbekampagnen nicht mehr nur weiße Gesichter gezeigt werden? Klar. Doch was Buabeng kritisiert, ist, dass das eben nicht aus einem politischen Bewusstsein heraus geschehe, sondern lediglich aus wirt­schaftlichen Interessen. Di­ver­sität ist profitabel geworden, sie bringt Medienunternehmen neue Reichweite, Aufmerksamkeit und nicht zuletzt Geld. In den Strukturen der privaten und öffentlich-rechtlichen Sender bleibt der Wandel derweil aus.

„Sie wollen dafür Applaus bekommen“

„Mir kann keiner erzählen, dass sich irgendwas grundlegend in den Köpfen geändert hat“, sagt die 39-jährige Deutsch-Ghanaerin trocken. „Die Entscheidungsträger sitzen ja nicht zu Hause, lesen ‚Exit Racism‘ und überlegen, wie sie ihr Unternehmen umstrukturieren können. Nein, sie erzählen ihren Kumpels stolz, dass sie jetzt auch mal mit einer Schwarzen Person drehen, und wollen dafür Applaus bekommen. Für die sind wir ein Trend, und das geht vorbei.“

Ein ganz grundlegendes Problem in der deutschen Unterhaltungsbranche bleibt vor allem, dass, wenn marginalisierte Personen gezeigt werden, ihre Rolle über stereotype Zuschreibungen kaum hinausgeht. Thelma Buabeng ist aktuell in drei Formaten zu sehen, die in diese Falle glücklicherweise nicht tappen. In der Rolle der Journalistin Marla Blum ist sie fester Teil des Ensembles der ZDF-Kindersendung „Löwenzahn“.

Über Dinge spreche, über die nur Weiße im TV reden

Auf Arte moderiert sie „Open Stage Berlin“, eine hochwertig produzierte Show mit Live-Konzerten, die in den Reinbeckhallen in Berlin-Oberschöneweide gedreht wird. Und für den SWR hostet Buabeng gemeinsam mit Hadnet Tesfai und Tasha Kimberly die Talkshow „Five Souls“. Mit wechselnden Gästen wird dort über Dating, Freund_innenschaft, Familie und Popkultur diskutiert.

Besonders an „Five Souls“ ist nicht etwa, dass alle drei Moderatorinnen Schwarz und alle Gäst_innen of Color sind. Das Besondere ist vielmehr, dass sie eben nicht über traumatische Ras­sis­mus­er­fah­rungen und strukturelle Gewalt sprechen müssen. „Das Konzept ist großartig. Ich wollte schon immer mal eine Show machen, in der ich über Dinge sprechen kann, über die im Fernsehen normalerweise nur weiße Leute sprechen. Dating, Beziehungen, Lifestyle. Einfach lockere Themen, bei denen man auch Spaß haben und lachen kann. Und natürlich ist es toll, auf ein Set zu kommen, und mit einem Team zu arbeiten, das so divers ist, auch hinter der Kamera. Das ist ein ganz anderer Vibe. So ungewohnt, es fühlt sich für mich fast nicht nach Arbeit an.“

Diese Stimmung überträgt sich auch auf die fertige Sendung, von der es jeden Donnerstag eine neue Folge gibt. Die Gespräche sind lebhaft, die Witze on point, die Sprache ist so ehrlich und zeitgemäß, dass man sich kaum vorstellen kann, dass so etwas auf SWR laufen soll. Der Knackpunkt: Das tut es auch nicht. „Five Souls“ wird zwar im Auftrag des SWR produziert, läuft jedoch auf einem eigenen Youtube-Kanal. Da die jüngere Zielgruppe der Sendung sich sowieso eher auf Onlineplattformen herumtreibt, mag das sinnvoll sein.

Dennoch fragt man sich, warum die liebevoll gemachte Show nicht parallel auch im linearen Programm laufen kann. Ist das Prestigeprojekt dann doch zu jung und zu flippig für das traditionelle TV-Publikum, sodass es vor ihm versteckt werden muss? Oder gibt es das, was die Sender sich unter „traditionellem Publikum“ vorstellen, überhaupt nicht mehr?

Abseits von gängigen Mustern erzählt

Jedenfalls wünscht man sich ein bisschen mehr Mut von den Sendern, wenn sie solche Formate schon an Land ziehen können. Erst kürzlich demonstrierte das ZDF mit der Serie „Breaking Even“, dass ein diverser Cast nicht gleich zum Diversity-Zirkus werden muss. Marginalisierte Figuren werden hier abseits von gängigen Mustern erzählt, die Geschichte ist vielschichtig und spannend.

Doch noch bevor irgendwer davon mitbekommen hat, wurde die Serie wieder abgesetzt. Für eine angemessene Werbetrommel für das Projekt oder gar eine zweite Staffel hat der Sender anscheinend nicht genug daran geglaubt. Und so machen Fans nun gut ein halbes Jahr nach dem Start der Serie in den sozialen Netzwerken Druck mit dem Hashtag #Save­Breaking­Even, um eine zweite Staffel einzufordern.

Thelma Buabeng ist jedenfalls überzeugt davon, dass das Problem in den meisten Fällen nicht das Fernsehpublikum sei, sondern der Blick der Pro­gramm­macher_in­nen auf das Publikum. „Ich habe jahrelang zu hören bekommen, dass es das Publikum irritieren würde, wenn ich eine Rolle spiele, bei der mein Schwarzsein nicht thematisiert wird.“ Als sie 2017 in dem ZDF-Film „Am Ruder“ für die Rolle der Staatsanwältin besetzt wurde, habe sich Buabeng plötzlich selbst Sorgen gemacht, wie Presse und Publikum wohl darauf reagieren würden. „Das Ergebnis war: keine Reaktion. Es hat einfach niemanden interessiert. So, wie es sein soll.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.