Trauerfeier nach dem Tod von Qosay K.: Ruf nach Gerechtigkeit

Knapp zwei Wochen nach dem Tod von Qosay K. in Polizeigewahrsam versammelten sich Un­ter­stüt­ze­r*in­nen zur Trauerfeier. Es sind viele Fragen offen.

Junge Menschen in einem Park strecken den rechten Arm mit geschlossener Faus in die Luft.

„No Justice, No Peace“: 250 Unter-stützer*innen trauerten um Qosay K Foto: Michael Trammer

DELMENHORST taz | In Delmenhorst schallt am Mittwochabend laut der Song “Ghetto Gospel“ des amerikanischen Rappers 2Pac über die Wiese des Wolleparks. Zwischen Häuserblocks, einem Teich und Reihenhaussiedlungen stehen mehr als 250 Menschen. Freun­d*in­nen und Familienangehörige von Qosay K. sowie antirassistische Ak­ti­vis­t*in­nen treffen sich zu einer Trauerfeier.

Initiiert wurde diese vom „Bündnis in Erinnerung an ­Qosay“. Am vergangenen Freitag hatte bereits die Beerdigung des jungen Mannes im Kreis seiner Familie und der jesidischen Gemeinde in Oldenburg stattgefunden. Qosay K. war am 5. März in Polizeigewahrsam kollabiert und komatös in ein Oldenburger Krankenhaus eingeliefert worden, wo er in der gleichen Nacht verstarb.

Zentrales Anliegen der Veranstaltung im Wollepark sei es, der Entmenschlichung durch den Tod entgegenzuwirken, sagte die Pressesprecherin des Bündnisses, Gundula Oerter. Das Bündnis wolle einen Ort der kollektiven Erinnerung schaffen – friedlich und in Trauer, aber mahnend.

Die Moderatorin Nazanin Ghafouri betonte die rassistische Dimension der Ereignisse: „Ich bin mir sicher: Würde Qosay nicht Qosay heißen, würde er anders aussehen – er würde heute hier unter uns sein.“ Der behördliche sowie der Alltagsrassismus in Deutschland sei eine Erfahrung, die alle nichtweißen Menschen teilten.

Viele Fragen zum Tod von Qosay K. sind nach wie vor offen. Zi­vil­po­li­zis­t*in­nen hatten K. und einen Freund vor knapp zwei Wochen beim „mutmaßlichen Betäubungsmittelkonsum“ kontrolliert, wie es in einer Pressemitteilung der Polizei heißt. Der 19-Jährige, der vor sechs Jahren vor dem sogenannten Islamischen Staat aus Südkurdistan nach Deutschland geflohen war, sei weggerannt und habe sich körperlich gegen seine Ingewahrsamnahme gewehrt, heißt es weiter. Die Be­am­t*in­nen hätten Pfefferspray eingesetzt und K. fixiert. Wenige Stunden später war er tot.

Die An­wäl­t*in­nen der Familie haben Strafantrag wegen des Vorgehens der Polizei gestellt

Schwere Vorwürfe wurden zuerst in sozialen Medien gegen die eingesetzten Be­am­t*in­nen und Ret­tungs­sa­ni­tä­te­r*in­nen sowie die Polizei Delmenhorst im Allgemeinen erhoben. Unter anderem heißt es, laut Au­gen­zeu­g*­in­nen sei K. eine adäquate medizinische Behandlung versagt worden. Zudem soll ein Polizeibeamter länger auf seinem Rücken gekniet haben. Andere Be­woh­ne­r*in­nen der Gegend Wollepark, die anonym bleiben wollen, äußerten gegenüber der taz Vorwürfe, auf dem Delmenhorster Polizeirevier Gewalt erfahren zu haben.

Sükrü C., ein Freund von Qosay K., sagte auf der Trauerfeier, alle, die sich im Wollepark aufhielten, würden von der Polizei schikaniert und ohne Menschenwürde angesehen. Wichtig sei, dass es so nicht weitergehe.

Vorwürfe wie diese weist die Polizei von sich. In einem ersten Obduktionsbericht schließt die Staatsanwaltschaft Oldenburg äußere Gewalt als Todesursache aus. Das Anwält*innen-Team der Familie hat privat eine zweite Obduktion beauftragt. Das Ergebnis steht noch aus. Die Familie will die Todesumstände vor Gericht klären lassen. Die Polizei hatte zuerst nur ein Todesursachenfestellungsverfahren eingeleitet. Der Oldenburger Polizeipräsident Johann Kühme betonte gegenüber dem NDR, es gebe keine Ermittlungen gegen seine Beamt*innen.

Die An­wäl­t*in­nen der Familie, Cahit Tolan und Lea Voigts, haben mittlerweile Strafantrag wegen des Vorgehens der Polizei gestellt. Tolan betonte gegenüber der taz, dass es Ungereimtheiten gebe, die geklärt werden müssten.

Einen Tag vor der Trauerveranstaltung hatte sich der Großvater der Familie mit einem Video über die jesidische Gemeinde an die Öffentlichkeit gewandt und gesagt, dass die Familie von öffentlichen Aktionen absehen werde. Eine Rolle spielt dabei wohl der unsicheren Aufenthaltsstatus und die Angst, noch mehr als den Sohn zu verlieren.

Bei der Andacht hielt die Polizei Abstand. Cousins, Onkel und Tanten signalisierten über einen Gruß, den die Moderatorin auf der Kundgebung verlas, ihre Dankbarkeit für die Trauerfeier. Die Teil­neh­me­r*in­nen reckten ihre Fäusten in die Luft, während ein weiterer Lieblingssong Qosay K.s über die Wiese schallte. Die Menge rief: „No ­justice, no peace!“

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