Schulöffnungen und Lockdown: Auf oder zu?

Die dritte Coronawelle kommt über Deutschland, aber für einen Lockdown gibt es keinen Fahrplan. Streitpunkt sind die Inzidenzzahlen.

Schüler in einem Klassenzimmer, vorne an der Tafel eine Lehrerin

Endlich wieder Schule? Diese 5. Klasse aus Baden-Württemberg hat wieder Präsenzunterricht Foto: Philipp von Ditfurth/dpa

Kein Wunder, dass zahlreiche Bür­ge­r:in­nen in den vergangenen Tagen ihren Osterurlaub auf Mallorca gebucht haben. Während das RKI die Mittelmeer­insel von der Liste der Risikogebiete strich, wird die Bundesrepublik zunehmend selbst zum Hotspot. Am Dienstag lag der Inzidenzwert in rund einem Viertel der Kreise über 100.

Aus der Wissenschaft kommen eindeutige Aufforderungen, keine Lockerungen anzugehen. Dirk Brockmann, Epidemiologe beim RKI, sieht das Infektionsgeschehen in Deutschland wieder in einem exponentiellen Wachstum. „Wir sind genau in der Flanke der dritten Welle. Da gibt es gar nichts mehr zu diskutieren“, sagte er in der ARD.

Der wissenschaftliche Leiter der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, Christian Karagiannidis, rechnet damit, dass angesichts der aktuellen Datenlage die Zahl der Intensivpatienten bald wieder steigen werde. Um eine starke dritte Welle zu verhindern, sprach er sich für einen sofortigen Lockdown aus. Erst wenn die Altersgruppe über 60 geimpft sei, würde dies zu einer Entlastung der Intensivsta­tionen führen.

Die Notbremse aber, die eigentlich wieder den Lockdown anordnen soll, wird nicht überall eingehalten. „Es gibt gute Gründe dafür, dass wir uns an der 100 orientieren“, warnte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) am Dienstag mit Blick auf die Inzidenzzahlen in Brandenburg. Dort hatte man beschlossen, dass die Notbremse erst ab einem Wert von 200 greift.

„Präsenzunterricht unverantwortlich“

Auch bundesweit sorgen die Inzidenzwerte für Streit. Vor allem bei den Schulen ist die Lage unübersichtlich – nicht nur, weil jedes Bundesland einen eigenen Öffnungsplan verfolgt. Teilweise legen die Bundesländer die eigenen Notbremse-Regeln unterschiedlich aus. Zum Beispiel Sachsen. So sind die Schulen im Vogtlandkreis zu, weil die Inzidenz über fünf Werktage hinweg über 100 lag – im Kreis Nordsachsen durften sie bei ähnlichen Zahlen offen bleiben. Möglich macht das eine Ausnahme in der Coronaschutzverordnung. „Die hohen Inzidenzen sind auf eine Baustelle von Porsche zurückzuführen“, sagt ein Ministeriumssprecher der taz.

Dass bundesweit trotz steigender Inzidenzwerte diese Woche weitere Schü­le­r:in­nen in den Präsenzunterricht zurückgekehrt sind, halten viele für unverantwortlich. Laut RKI lagen die Infektionsraten bei Kindern zuletzt teilweise über dem Bevölkerungsdurchschnitt. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach fordert deshalb, die Schulen bis Ostern wieder zuzumachen. NRW Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann wiederum hat der Stadt Dortmund verboten, die Schulen zu schließen. Auch die Devise der Bil­dungs­mi­nis­te­r:in­nen lautet: Im März sollen wieder alle Schü­le­r:in­nen zur Schule gehen.

Die Folge ist, dass Schul­leiter:innen, Landräte oder Bür­ger­meis­te­r:in­nen selbst die Notbremse ziehen und den Unterricht herunterfahren wie im Kreis Schwäbisch Hall.

Mitarbeit: Tanja Tricarico

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