Rechte Organisierte Kriminalität: Großrazzia gegen Neonazi-Netzwerk

500 Thüringer Po­li­zis­t*in­nen durchsuchen die Immobilien einer rechten Gruppe. CDU-Sicherheitsexperten erinnern die Verflechtungen an den NSU.

Ein Polizist mit einem Drogenspürhund geht in ein Wohnhaus

Ein Polizist mit einem Drogenspürhund während der Razzia in Ballstädt, Thüringen Foto: Michael Reichel/dpa

Wenn es um Geldbeschaffung geht, vergessen Rechtsextremisten vermeintlich deutsche Tugenden. Drogen- und Waffenhandel, Geldwäsche, Prostitution – und generell das Milieu der Organisierten Kriminalität sind dann keine Tabuzonen mehr.

Um ein kriminelles rechtes Netzwerk in Thüringen zu zerschlagen, haben am Freitagmorgen 500 Beamtinnen und Beamte des Landeskriminalamtes und der Staatsanwaltschaft Gera eine Großrazzia durchgeführt. Einsatzschwerpunkt war der Raum Gotha, Einsatzorte lagen aber auch im Kreis Saalfeld-Rudolstadt und in den Nachbarländern Hessen und Sachsen-Anhalt.

Bei der bis zum Nachmittag andauernden Razzia wurden vor allem Immobilien durchsucht. Dabei wurden auch Polizeihunde und eine Drohne eingesetzt. Nach vorläufigen Angaben des Landeskriminalamtes wurden Betäubungsmittel und Bargeld sichergestellt und ein Auto gepfändet. Acht bereits bestehende Haftbefehle wurden vollstreckt, eine weitere Person wegen Drogenbesitzes festgenommen. Die Beschuldigten sind deutsche Staatsbürger im Alter von 24 bis 55 Jahren.

Die Linken-Landtagsabgeordnete Katharina König-Preuss bezeichnete den Einsatz als „wichtigen Schritt auf dem Weg, diesen kriminellen braunen Sumpf endgültig trocken zu legen“. Nach ihren Erkenntnissen werden die Festgenommenen dem Neonazi-Netzwerk „Turonen“/ “Garde 20“ zugerechnet. Seit 2019 laufen gegen die Gruppe 32 Ermittlungsverfahren. Eine wichtige Rolle spielt dabei eine Immobilie in Ballstädt, die 2014 auch Ausgangspunkt für den schweren Überfall auf eine Kirmesgesellschaft war.

Der Prozess wird gerade neu verhandelt. Weitere Rückzugsorte im Raum Gotha sollen als Basis für die aufgebauten Vertriebsstrukturen gedient haben. Das Netzwerk verfügt auch über Kontakte nach Österreich und in die Schweiz.

Der Sicherheitsexperte der CDU-Landtagsfraktion Raymond Walk ist über den Schlag gegen das Neonazi-Netzwerk erleichtert: „Erstmals seit Jahren wird so konzertiert vorgegangen.“

Für „untragbar“ hält Walk, der ehemals das Amt des Leitenden Polizeidirektors im Thüringer Innenministerium innehatte, dass bislang 15 Haftbefehle im Bereich Rechtsextremismus nicht vollstreckt wurden.

„Der NSU lässt grüßen“, erinnert Walk daran, dass dieser auch zwei Tage vor der geplanten Verhaftung untertauchte. Klar sei längst, dass Rechtsrockkonzerte, der CD- und der T-Shirt-Verkauf zur Finanzierung der rechten Szene nicht mehr ausreichten. Neu und bestürzend empfindet er aber die mit der Razzia verbundene Erkenntnis, dass sich rechte Strukturen in der Organisierten Kriminalität bereits derart etabliert haben.

Der CDU-Sicherheitsexperte hält es deshalb für angebracht, die Beobachtung der Organisierten Kriminalität durch den Verfassungsschutz wieder neu zu diskutieren. In den Jahren 2002 bis 2006 war dies in Thüringen und Sachsen möglich.

Zwischen Geheimdienst und Polizei besteht in Deutschland eigentlich eine klare Trennung ihrer Befugnisse. Die entscheidenden Hinweise für den polizeilichen Großeinsatz am Freitag aber kamen vom Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz, insbesondere im Zusammenhang mit der Ballstädter Immobilie.

Linke und Grüne wollen Verfassungsschutz abschaffen

Der Thüringer Verfassungsschutz-Präsident Stephan Kramer äußert sich vorerst nicht zu den Details der nachrichtendienstlichen Ermittlungen. Doch auch er möchte zumindest ein „Nachdenken“ über eine engere „Verzahnung“ zwischen Verfassungsschutz und Polizei erlauben – ohne das Trennungsgebot hinsichtlich exekutiver Befugnisse zu revidieren.

Die nachrichtendienstliche Observation des rechtsextremen Feldes führe geradezu zwangsläufig auch in die Kreise der Organisierten Kriminalität, sagt Kramer.

Linke und Teile der Grünen in Thüringen möchten den Verfassungsschutz eigentlich abschaffen.

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