Söder alleine
im digitalen Bierzelt

Beim Politischen Aschermittwoch versucht die CSU ein bisschen digitale Bierseligkeit aufkommen zu lassen – mit etwas Polemik und einem rustikal-spießigen TV-Studio

Schwerer Krug, leichter Inhalt: Söder trank nach eigenen Angaben eine zuckerfreie Limonade Foto: Peter Kneffel/dpa

Von Dominik Baur, München

Es ist ein mutiger Auftritt von Markus Söder. Mitten in der Aschermittwochsrede, als er einmal kurz für einen Schluck aus dem Steinkrug unterbricht und den Fans zu Hause vor den Bildschirmen zuprostet, outet er sich: „Ich trink’ übrigens, ich geb’s zu, Cola light.“ Nun ist bekannt, dass der bayerische Ministerpräsident kein Biertrinker ist. Aber beim Politischen Aschermittwoch, dem größten Stammtisch der Nation, bei dem die CSU alljährlich die Vereinbarkeit von Bier und Politik zelebriert, hat ein solcher Satz natürlich eine besondere Wucht.

Söder sitzt auf der Eckbank in einem rustikal-spießigen Wohnzimmer, das man ihm in die Passauer Dreiländerhalle gestellt hat. Vor ihm ein Korb mit ­Brezen und etwas Aufschnitt. Ein eher intimes Setting, aber es ist ja nicht die Zeit für die großen, kämpferischen Reden. Und ohnehin werde, so meint Söder, der Politische Aschermittwoch immer missverstanden als eine Art Verlängerung des Faschings mit anderen Mitteln. Nein, die Veranstaltung sei keine Gaudi, keine Wirtshausschlägerei, sondern eine ernsthafte politische Veranstaltung.

Es folgt eine tatsächlich eher ernsthafte Rede, die Generalsekretär Markus Blume hinterher als „auf jeden Fall eine der besten“ bezeichnen wird. Es geht fast ausschließlich um Corona. Söder verteidigt seinen Kurs, lobt Bayern, die CSU und vor allem sich selbst, übt aber auch – „ganz ehrlich“ – Kritik an Dingen, die schiefgelaufen sind. Adressaten seiner Klage sind freilich der Bund und die EU. Eine großer Kritikpunkt betrifft die verschleppten Coronahilfen. Der Bund sei bei den Hilfszahlungen für eine Menge an enttäuschten Hoffnungen verantwortlich. Es könne nicht sein, dass die Novemberhilfen erst im März ausbezahlt würden. „Bitte macht endlich Dampf.“ Und zum Thema Impfen moniert der CSU-Chef, man habe falsche Hoffnungen geweckt, die nicht erfüllt worden seien. „Der Fehler – wo liegt er? Natürlich bei der EU.“

Der Rest sind die größtenteils bekannten Statements: Wir haben das doch bislang ganz gut gemacht; das Virus ist schuld, nicht die Maßnahmen. So was eben.

Oft habe er während der Krise gebetet, erzählt Söder auch. Und jeden Morgen schaue er sich die Todeszahlen an. „Jeder einzelne Todesfall ist ein Stich ins Herz.“ Diese Menschen hätten keine Öffnungsperspektive mehr. Ein geschickter rhetorischer Hieb: Wer Öffnungsperspektiven einfordere, den tangierten die Todesfälle wohl nicht, impliziert er.

Ab und zu geht hinter Söder ein Mann durchs Bild, eine Videomontage. Es ist der 85-jährige Andreas Spreng. Er ist bekannt, weil er seit Jahrzehnten beim Aschermittwoch in der Halle mit Pappschildern für Aufmerksamkeit sorgt. Auch diesmal trägt er ein Schild: „Markus, wir brauchen Dich!“

Sonst ist kaum etwas wie sonst. Zu einem rein virtuellen Aschermittwoch hat die CSU – wie auch die meisten anderen Parteien – in diesem Jahr geladen. Kein Bier vom Fass, keine Fischsemmel. Für 19,90 Euro konnte sich das Publikum daheim stattdessen aus dem CSU-Shop das „Fan-Paket“ bestellen: Mit Bier, Dauerbreze, Ratsche und Schal.

Ein „Fan-Paket“ verkaufte die CSU vorab. Der Inhalt: Bier, Dauerbreze, Ratsche und Schal

Die CSU-Landesleitung unter Markus Blume legte sich mächtig ins Zeug, um das spezielle Format des Politischen Aschermittwochs, das von seiner besonderen Atmosphäre lebt, der Bierseligkeit, dem Gegröle gegen den politischen Gegner, webtauglich zu machen. Die Fans wurden live zu einem riesigen Videomosaik zusammenmontiert, konnten sogar mit Klatschen und Ratschen für die Geräuschkulisse sorgen.

Es sind die letzten acht Minuten der Rede, in denen Söder doch noch der Aschermittwochs-Tradition folgt und ein paar polemische Schläge gegen die politischen Gegner austeilt.

Und dann lässt sich Söder sogar noch auf Gedankenspiele über mögliche Koalitionen nach der Bundestagswahl ein. Es könne natürlich auf Schwarz-Grün hinauslaufen. Zwar halte er das derzeitige Programm der Grünen für nicht koalitionsfähig. Aber momentan sitze er sowohl in einer Koalition mit ­Hubert Aiwanger als auch mit Saskia Esken. Insofern werde er sich auch mit den Grünen arrangieren.