Rassismus-Vorwurf gegen Bremer Behörde: Der Ehe verdächtig

Schwarze Bremer Mütter kämpfen weiter um Geburtsurkunden und Aufenthaltstitel. Die Gerichte geben ihnen recht, die Ämter pochen auf viele Prüfungen.

Demonstration von "Together we are Bremen" in Bremen

Sie fordern „Paper for all the babies“ Foto: Jan Zier

BREMEN taz | Rund 50 Menschen demons­trierten am internationalen Frau­en*­Kampf­tag stundenlang vor dem Amtssitz des Innensenators Ulrich Mäurer (SPD), unter ihnen viele schwarze Mütter mit ihren Kindern. Sie protestieren gegen „strukturellen Rassismus“, sie kämpfen dafür, dass ihre Babys endlich Geburtsurkunden und sie selbst – in der Folge – endlich eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland bekommen.

Ihr Protest dauert nun schon viele Monate. „Es gibt Gerüchte, dass sich die Situation seit unseren letzten Aktionen verbessert hat“, heißt es in dem Aufruf des Bündnisses “Together we are Bremen“. „Aber Gerüchte sind nicht wahr“, heißt es weiter. Die De­mons­tran­t*in­nen werfen dem Bremer Standesamt vor, schwarzen Müttern pauschal zu unterstellen, sie seien anderweitig verheiratet. In der Auseinandersetzung geht es vor allem um jene schwarze Frauen, die einen deutschen Partner haben, mit dem sie nicht verheiratet sind, der aber die Vaterschaft anerkannt hat. Doch nach deutschem Recht ist erst einmal derjenige der Vater eines Kindes, der mit der Mutter verheiratet ist.

Das Migrationsamt weigere sich, ohne eine Geburtsurkunde die deutsche Staatsangehörigkeit der Kinder festzustellen und damit auch der Mutter eine Aufenthaltserlaubnis in Bremen zu erteilen, so der Vorwurf der Demonstrant*innen. Die Frauen fordern, dass dafür eine Vaterschaftsanerkennung genügt.

Diese reiche in Bremen aber oft nicht dafür aus, dass ein hier geborenes Baby hier auch eine Geburtsurkunde bekomme, kritisiert das Bündnis. Das hat schwerwiegende Folgen für die Betroffenen: „Keine Geburtsurkunde zu haben ist so, als würde ein Kind nicht existieren“, sagt eine von ihnen. „Mein Kind hat keine Krankenversicherung“ – dabei ist es schon sieben Monate alt. In der Praxis seien Kind und Mutter von Umverteilung oder gar Abschiebung bedroht, so das Bündnis.

Dabei hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) gerade im Sinne der Protestierenden entschieden: Es urteilte zugunsten einer aus Ghana stammenden Frau. Schon das Verwaltungsgericht (Aktenzeichen 4 V 1713/20) hatte festgestellt, dass es gar nicht auf die Existenz einer Geburtsurkunde ankommt, sondern allein auf die wirksame Anerkennung der Vaterschaft durch einen Deutschen. Dem schloss sich nun auch das OVG an (Aktenzeichen 2 B 335/20).

Die Forderungen der Ämter sind „unzumutbar“

Ob der Anerkennende auch der biologische Vater sei, befand das Gericht für „unerheblich“: Für den Staatsangehörigkeitserwerb von Kind und Mutter „kommt es nur auf die rechtliche Vaterschaft an“. Nur wenn „zumindest konkrete Anhaltspunkte“ für eine Ehe vorhanden seien, müsse die Mutter nachweisen, dass sie im maßgeblichen Zeitpunkt unverheiratet war. „Der Mutter quasi ins Blaue hinein den nur schwer zu führenden „Negativbeweis“ aufzuerlegen, dass sie in ihrem Heimatland nicht verheiratet ist oder war, wäre eine unzumutbare Anforderung“, stellte das OVG klar. Der Hinweis der deutschen Behörden, dass sich „in einer Vielzahl“ anderer Verfahren ghanaischer Mütter herausgestellt habe, dass diese in Ghana verheiratet waren, reicht dem Gericht nicht.

Das Innenressort weist den Vorwurf des Rassismus erneut zurück: Es gehe nicht um das fehlende Vertrauen in Personen, sondern um das fehlende Vertrauen in die Urkunden eines Landes, so die Sprecherin. Sie verweist auf 30 Länder, deren Urkundenwesen vom Auswärtigen Amt als „unsicher“ eingestuft werde: Nigeria und Ghana gehörten dazu, Sri Lanka und Myanmar. Die Stan­des­beamt*in­nen seien gesetzlich verpflichtet, den Sachverhalt vor der Beurkundung einer Geburt „umfassend aufzuklären“, sagt das Innenressort. Werde nur die Vaterschaftsanerkennung vorgelegt, müsse sich das Migrationsamt „in der Praxis davon überzeugen“, dass die Erklärung wirksam erklärt worden sei.

Zugleich betont die Behörde ihr Interesse an einer „möglichst zeitnahen Beurkundung“ der Geburt und befindet einen Zeitraum von sechs Monaten als „noch angemessen“. Einige der Betroffenen warten nach eigenen Angaben schon über ein Jahr und verlangen eine sofortige Beurkundung. „Ist das je einer weißen Frau passiert?“, fragen sie. „Nein!“ Dafür gebe es nur einen Grund: „Rassismus“.

Die Behörden seien weiter an einem „sachlichen, konstruktiv kritischen Austausch“ interessiert, sagt deren Sprecherin, der Dialog werde fortgesetzt. Die protestierenden Mütter kündigten derweil neue, noch längere Demos an. Für die gestrige Protestaktion hatte das Bündnis zunächst allerlei Auflagen erteilt. Das Verwaltungsgericht stellte jedoch in einem Urteil klar, dass die De­mons­tran­t*in­nen selbst über „Art und Umstände“ ihrer Versammlung zu bestimmen“ hätten und nannte die Auflagen „unverhältnismäßig“.

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