Abdul Dbaiba wird Premierminister: Regierung für Libyen gewählt

Ein Jahr nach der Berliner Libyen-Konferenz ist der Krieg beendet. In Genf wurde auf dem „Dialog Forum“ eine Einheitsregierung gewählt.

Stephanie Williams, amtierende Sonderbeauftragte des Generalsekretärs und Leiterin der Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Libyen,

Stephanie Williams, Leiterin der UN-Mission für Libyen gratulierte zur Wahl Foto: dpa

TUNIS taz | Libyen hat eine neue Einheitsregierung. Auf dem von den Vereinten Nationen organisierten „Dialog-Forum“ in Genf wurde der Geschäftsmann Abdul Hamid Dbaiba am Freitag zum Premierminister gewählt und bekommt nun 21 Tage Zeit, seine Regierungsmannschaft zusammenzustellen. Die 75 in die Schweiz geladenen Delegierten wählten gleichzeitig einen neuen Präsidialrat, der die drei Regionen des Landes repräsentieren soll.

Vorsitzender des Rates und damit auch Präsident und Chef der Armee wird der aus dem ostlibyschen Tobruk stammende Mohmaed Menfi, Libyens ehemaliger Botschafter in Griechenland. Die südliche Provinz Fezzan wird der Touareg Musa Al Kony vertreten, aus dem westlibyschen Tripolitanien wurde Abdulla Al Lafi gewählt.

Die vier in Genf gewählten Funktionsträger sollen zwar nur bis Ende des Jahres im Amt bleiben, dafür liegt eine Mammutaufgabe vor ihnen. Für den 24. Dezember diesen Jahres ist eine Parlamentswahl geplant. Die neue Volksvertretung soll dann eine reguläre Regierung bestimmen, vorausgesetzt dass bis dahin die in Ost und West gespaltenen Institutionen wieder vereint wurden und eine Volksabstimmung über die neue Verfassung stattgefunden hat. Ohne die Auflösung der vor allem in der Hauptstadt Tripolis noch tonangebenden Milizen und den Abzug der ausländischen Söldner scheint eine landesweite Neuwahl zudem nur schwer umsetzbar.

Stephanie Williams, die Leiterin der UN-Mission (UNSMIL) für Libyen, gratulierte den 75 von ihr ausgewählten Libyern zu der live von libyschen TV-Stationen übertragenen Wahl.

Wahl Dbaiba ist eine Überraschung für viele Libyer

Dem Engangement der US-amerikanischen Diplomatin ist es zu verdanken, dass der Krieg genau ein Jahr nach der Berliner Libyen-Konferenz wohl nun beendet ist. Der UN-Sicherheitsrat hatte vergangene Woche entschieden, nach dem Genfer Treffen eine unbewaffnete Beobachtermission an die ehemalige Front bei Sirte zu schicken um den beschlossenen Abzug der Milizen beider Seiten zu verifizieren.

Seit April 2019 hatte Khalifa Hafter, der Kommandeur der ostlibyschen Armee LNA, versucht, Tripolis mit Hilfe von sudanesischen und russischen Söldnern einzunehmen. Doch dank militärischer Unterstützung der Türkei und eingeflogenen syrischen Söldnern konnte der jetzt abgewählte Regierungschef Faiez Serraj den Angriff abwehren.

Die Wahl von Abdul Dbaiba ist für viele Libyer eine faustdicken Überraschung. Denn der wie Dbaiba aus der Hafenstadt Misrata stammende derzeitige Innenminister Fathi Bashaga schien bereits sicherer Sieger zu sein. Der 45-Jährige hatte in den letzten Monaten das Milizenkartell von Tripolis geschwächt. Auf seiner Wahlliste standen mit Abdul Seif Al Nasr, Osama Juweili und Aguila Saleh drei politische Schwergewichte, die Hafter und der in Westlibyen wichtigen Milizen aus Zintan nahe stehen.

Doch die von Bashaga angeführte Liste wurde von einigen libyschen Medien als „Dinosauriergruppe“ bezeichnet – als Politiker der Vergangenheit.

Khalifa Hafter hat die Wahl noch nicht kommentiert

Der Familienname des neuen Premierministers tauchte in den letzten Jahren immer wieder bei Ermittlungen wegen Bestechung und Korruption auf, die Dbaibas wurden unter Exdiktator Muammar Gaddafi schwerreich. Der Bruder des Premiers, Multimillionär Ali Dabaiba, steht bei Interpol zur Fahndung wegen Geldwäsche in England und Schottland aus, wurde jedoch bisher nicht verurteilt.

Mehrere Konferenzteilnehmer des ebenfalls von den Vereinten Nationen organisierten Dialogforums im Dezember in Tunis klagten, dass Ali Dabaiba ihnen 200.000 Dollar geboten hätte, sollten sie für die Kandidatur seines Bruders werben. Die Ermittlungen der UN-Mission zu den Vorwürfen blieben ergebnislos.

Der international nicht anerkannte Premier der Cyreneika-Provinz, Abdulla Thinni, verkündete am Samstag, die Wahl von Genf anzuerkennen. Der starke Mann Ostlibyens, Khalifa Hafter, hat allerdings die Personalien bisher noch nicht kommentiert – und damit auch nicht die Wahl von Mohmaed Menfi zum Chef des Präsidialrates, dem Hafer damit theoretisch nun untergeordnet ist.

Elham Saudi, Menschenrechts-Aktivistin und eine der 75 DelegationsteilnehmerInnen in Genf, verweigerte am Freitag einem der 45 zur Wahl stehenden Kandidaten ihre Stimme zu geben. „Wir haben ein besseres Libyen verdient“ begründet Elham ihre Enthaltung.

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