Liebe ist Sache der Algorithmen

Menschenversuche mit Robotern, mahnende Erinnerung an den Vorabend der NS-Zeit und ein Nachbarschaftszwist als Kammerspiel: deutsche Spielfilme im Berlinale-Wettbewerb

In „Nebenan“, dem Regiedebüt von Daniel Brühl, spielen er selbst und Peter Kurth die Haupt­rollen Foto: Berlinale

Von Tim Caspar Boehme

Noch ist einiges an Fremdeln im Spiel. Die Berlinale am Bildschirm hat begonnen, und bisher hat sich nicht das Gefühl eingestellt, auf einem Filmfestival zu sein. Auch wenn für viele Filmkritiker der Alltag nicht erst seit der Pandemie längst davon bestimmt wird, dass man Filme zu Hause als Stream und nur selten im Kino sieht, bedeutet dies keinesfalls, dass man für ein Festival diese „normalen“ Bedingungen fraglos übernehmen möchte. Nach dem ersten offiziell gestreamten Wettbewerbsfilm überwiegt daher erst einmal der Eindruck der Simulation eines Festivals.

Wobei die Simulation zu Maria Schraders deutschem Wettbewerbsbeitrag zumindest inhaltlich passt. In ihrer Komödie „Ich bin dein Mensch“ nimmt die Anthropologin Alma (Maren Eggers) an nichts Geringerem als einem Menschenversuch teil: Sie lässt sich zur Begutachtung einen Humanoiden mit nach Hause geben, der so programmiert ist, dass er sie maximal glücklich macht. Ein virtueller Partner, bei dem sie am Ende darüber urteilen muss, ob man diesen wie Menschen Rechte zugestehen sollte.

In vorwiegend klinisch steriler Umgebung in Berlin gefilmt – einem Plattenbauhochhaus am Alexanderplatz, wo Alma wohnt, dem neu gebauten, passend benannten Forschungszentrum Futurium am Hauptbahnhof, wo sie arbeitet –, wirkt die Kulisse selbst wie eine Welt aus dem Computer. Bloß wenn sie ihren dementen Vater in seinem verwohnten Haus am Stadtrand besucht, sehen die Dinge nicht so künstlich kalt aus.

Die Grenze zwischen real und simuliert beginnt sich für Alma zu verschieben, sobald sie „Tom“ (Dan Stevens) zu sich nimmt. Anfangs quartiert sie ihn in einer Rumpelkammer ein, um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen. Als Partner möchte sie ihn nicht behandeln. Doch die Ablehnung, von Maren Eggers wunderbar mit konsternierter Reserviertheit gespielt, weicht allmählich etwas anderem.

Die Frage, die der Film stellt, ist denn auch weniger, ob Roboter Gefühle entwickeln können, sondern ob Menschen echte Gefühle für Maschinen haben können. Und wenn so ein Humanoid es schafft, auf interessierte Art vollkommen ausdruckslos zu gucken wie Dan Stevens, ist es vermutlich schwierig, das unerwidert zu lassen. Ein abgründig witziger Kommentar zum heutigen Leben inmitten von Algorithmen.

Dominik Graf verpasst seinem Historienfilm zu Beginn ein ruppig-wüstes, von wilden Schnitten zerzaustes Aussehen

Ernster hingegen der Auftritt von Dominik Graf im Wettbewerb mit seiner Verfilmung von Erich Kästners Klassiker „Fabian“. Der Roman, der im Untertitel früher sachlich „Die Geschichte eines Moralisten“ hieß, hat in Neuauflagen inzwischen den ursprünglich von Kästner vorgesehenen Titel „Der Gang vor die Hunde“, den Graf mit aufnimmt.

Tom Schilling gibt den tragischen Helden Jakob Fabian, der im Berlin des Jahres 1931 zunächst abgeklärt ausschweifend lebt, dann, unter den Vorzeichen des aufziehenden Nationalsozialismus, mehr und mehr an seinen Mitmenschen verzweifelt. Graf verpasst seinem Historienfilm zu Beginn ein ruppig-wüstes, von wilden Schnitten zerzaustes Aussehen, lenkt seine Geschichte jedoch bald in konventionell ruhige Bahnen. Die zeitliche Geschlossenheit bricht er auf, wenn ein Kameraschwenk auf Stolpersteine zu den Füßen der Schauspieler die Folgen des Zivilisationsbruchs anmahnt, die der Film selbst ankündigt. Vergleiche zur heutigen Lage braucht Graf keine weiteren zu ziehen.

Gegen diese Konkurrenz hat es „Nebenan“, das Regiedebüt des Schauspielers Daniel Brühl, schon schwieriger. Ganz Kammerspiel, ganz auf das Duell zwischen den von Brühl selbst und Peter Kurth gegebenen Hauptfiguren konzentriert, ist diese von Daniel Kehlmann geschriebene Abrechnung mit den Gentrifiziern Berlins – Brühl spielt eine Version seiner selbst, Kurth einen frustrierten DDR-Verlierer – zwar brillant gespielt, zugleich aber ein wenig selbstverliebt.