Sexismus und das Aufhalten von Türen: Alt und Arsch gesellt sich gern

Früher hielten wir Frauen ständig die Tür auf. Wenn die Kuh dann spurte, schleimte man verlogen herum. Das ist typisch für sexistische Erhöhung.

Ein Mann hält einer Frau die Fahrstuhltür offen

Wenn die Kuh spurte, schleimte man verlogen herum: Türaufhalten als „positiver“ Sexismus Foto: allOver-MEV/imago

Wer denkt, ich versuchte hier mit gruppenbezogener „Selbstironie“ oft bloß von meiner persönlichen Involviertheit abzulenken, … hat natürlich Recht. Denn wie die meisten meines Alters bin ich hoffnungslos durchseucht von sexistischen Denkmustern. Im Grunde bin ich die Lightversion eines Mischwesens aus Hitler und Weinstein, „full of shit“ auf gut Altprovenzalisch, oder wie mein Urologe Zbigniew den großen polnischen Philosophen Bogumir Rak zitiert: „Alt und Arsch gesellt sich gern.“ Me too, kann ich da nur sagen.

So hielten wir Frauen früher ständig die Tür auf. Und wenn die Kuh dann spurte, was hieß: nett lächelte, schleimte man verlogen herum und admiradorte sie ein bisschen. Türaufhalten ist typisch für „positiven“ Sexismus meiner Generation, eine pathologische Erhöhung, hinter der eigentlich das Gegenteil steht. Wenn ein Mann von sich sagt, „ich liebe/verehre die Frauen“, sollten bei denen schon mal sämtliche Alarmglocken schrillen. So einer ist auf jeden Fall ein Topkandidat für eine vorbeugende Sicherungsverwahrung.

Dann die ersten Rückschläge in den 1980er und 1990er Jahren: Hielt man einer Frau, die hinter einem ging, die Kaufhaustür auf, wurde man nun nämlich, so munkelten empört die Enttäuschten, dafür von der sich auf einmal als rabiate Hexe Entpuppenden als „Macker“ zur Sau gemacht. Das tat oft ganz schlimm weh.

Mir ist das jedoch nie passiert, und ich halte immer allen die Tür auf. Natürlich auch Männern, was mich in deren Augen vermutlich zum Bisexuellen stempelt. Ich finde Türaufhalten in der Tat ziemlich geil. Im bekannten Charlottenburger Swingerclub „Schwingtür“, wo kinky Gleichgesinnte aktiv und passiv dem Türaufhalten frönen, gehe ich quasi bis zum Orgasmus ein und aus.

Lächeln als „der kleine Geschlechtsverkehr“

Im realen Leben habe ich jedenfalls exakt null mal Ärger bekommen, denn ich drehe mich nach dem Aufhalten der Tür nie um. Wahrscheinlich liegt der Fehler darin, stattdessen wie ein apportierendes Hündchen auf eine Belohnung zu warten: Das Lächeln gilt unter Incels ja nicht umsonst als „der kleine Geschlechtsverkehr“.

Im Verlauf meines langen Wandels vom Cis-Mann zum Cis-Moll-Mann hat sich so einiges geändert. Das Nicht-mehr zum-Kaffee-Einladen-Dürfen ist das neue Nicht-die-Tür-Aufhalten-Dürfen. Denn das darf man nun angeblich auch nicht mehr – da hat uns olle Weinstein aber einen feinen Bärendienst erwiesen. Doch natürlich darf man. Ein Gefühl dafür zu gewinnen, ob es jeweils angebracht erscheint, wäre freilich ganz schön. Ich selbst wollte ohnehin nie Kaffee trinken, sondern immer nur ficken. Hat aber ebenfalls nicht geklappt.

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Seit 2001 freier Schreibmann für verschiedene Ressorts. Mitglied der Berliner Lesebühne "LSD - Liebe statt Drogen" und Autor zahlreicher Bücher.

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