Brasilianische Aktivistin über Gewalt: „Ich werde hier nicht weggehen“

Alessandra Korap Munduruku kämpft für die Natur, Frauen und Indigene. Die Gewinnerin des taz Panter LeserInnenpreises wird gerade massiv bedroht.

Alessandra Munduruku, ene Frau mit glatten dunklen, langen Haaren und dunklen Augen. Sie trägt Kopfschmuck. In der Mitte ihrer Stirn die Nase hinab und von einer Wange quer zur anderen ist sie bemalt.

Bedroht und prämiert: Alessandra Korap Munduruku Foto: Yasuyoshi Chiba/afp

taz: Seit langer Zeit werden Sie bedroht, weil Sie für den Erhalt des Regenwaldes kämpfen. In den letzten Wochen hat sich die Situation zugespitzt. Was ist passiert?

Alessandra Korap Munduruku: Sie fahren in Autos mit getönten Scheiben an unserem Dorf vorbei, machen Fotos und verfolgen sogar Menschen, die mich unterstützen. Meine Anwältin erhielt kürzlich Morddrohungen. Die Situation ist bedrohlich, aber ich werde hier nicht weggehen.

Wer steckt dahinter?

Die 36-Jährige gehört zur Ethnie der Munduruku und lebt in einem Dorf nahe der Kleinstadt Itaituba in Nordbrasiliens Bundesstaat Pará. Die Aktivistin kämpft seit vielen Jahren für Umweltschutz und Frauenrechte. 2020 erhielt sie den taz Panter LeserInnen-Preis.

Hier gibt es viele Menschen, die die Region wirtschaftlich ausbeuten wollen. Wegen des Holzes, des Goldes und des Sojas. Der Bergbaukonzern Anglo American will in unserem Gebiet fördern. Außerdem gibt es Großprojekte wie Staudämme und eine geplante Bahntrasse. Wer sich dagegen wehrt, wird bedroht. Oft von pistoleiros – Menschen, die bezahlt werden, um zu töten. Ihr einziger Weg ist es, Personen wie mich zu eliminieren.

Haben Sie Angst?

Als 2019 in mein Haus eingebrochen wurde, hatte ich Angst. Aber jetzt darf ich mich nicht mehr fürchten, denn ich muss ein Vorbild für die anderen Frauen sein. Meine einzige Angst: unser Territorium zu verlieren.

Sie erwähnten die Ferrogrão (Eiserne Bohne). Die Bahntrasse soll quer durch das Gebiet der Munduruku gebaut werden, um Soja aus dem Süden zu den Häfen am Tapajós-Fluss zu transportieren. Welche Auswirkungen befürchten Sie?

Tonnenweise Soja und Mais sollen mit der Bahn hierhin transportiert werden. Um Soja anzupflanzen, muss der Wald weiter gerodet werden. Immer mehr Flächen werden dafür von Landinvasoren mit Gewalt eingenommen. Die eingesetzten Pestizide vergiften unseren Fluss und die Fische, der Gestank ist furchtbar. Das Gift im Soja hat furchtbare Konsequenzen – sowohl für die Weißen als auch für uns.

Der größte Teil des Sojas wird exportiert, auch nach Deutschland. Welche Verantwortung haben wir in Europa für Ihre Heimat?

Eine große Verantwortung, denn: Woher kommen die Unternehmen, die Kraftwerke für Staudämme bauen, die unsere Flüsse vergiften und unser Land zerstören? Wer hilft dabei, Amazonien abzuholzen, damit Soja als Tierfutter importiert werden kann?

Nicht wenige sagen, dass die wirtschaftliche Ausbeutung Amazoniens notwendig sei, um Brasilien zu „entwickeln“.

Diese Leute vergessen, dass hier Menschen leben. Wie können sie über unser Leben entscheiden, ohne uns zu fragen oder einzubeziehen? Viele von uns wurden bereits vertrieben, etliche getötet. Ihre „Entwicklung“ bedeutet für uns Gewalt und Tod.

Wie hat sich die Situation seit dem Amtsantritt von Präsident Jair Bolsonaro verändert?

Bolsonaro hat Indigene und Umweltschützer schon immer verachtet. Alles was er sagt, ist schlecht für uns. Auch früher gab es Invasionen in unseren Territorien. Aber es existierten Organe, die Invasoren bestraften und sie von unserem Land warfen. Bolsonaro und sein Umweltminister Ricardo Salles versuchen nun, genau diese Organe abzubauen. Seit dem Amtsantritt der Regierung hat der Bergbau in indigenen Gebieten massiv zugenommen. Erst vor ein paar Tagen hat der Gouverneur des Bundesstaates Roraima (ein enger Verbündeter von Präsident Bolsonaro, Anm. d. Red.) den Abbau von Quecksilber in der Region freigegeben. Das wird verheerende Konsequenzen für die Indigenen ­haben.

Ein Teil Ihres Stammes unterstützt dennoch die Pläne der Regierung, die kommerzielle Ausbeutung in geschützten Gebieten zu legalisieren. Wie schätzen Sie das ein?

Es ist ein kleine Gruppe, die von den Weißen manipuliert wird. Sie werden mit einfachem Geld gelockt. Vertreter von großen Unternehmen kommen in die Dörfer und sagen ihnen: „Verlasst euch nicht auf die NGOs, produziert selbst. Ihr seid reich, nutzt das!“ Doch wer am Ende das große Geld macht, sind die Weißen aus den Städten. Leider sehen sie nicht, dass sie benutzt werden. Und sie merken nicht, dass sie helfen, ihr Volk auszulöschen.

Indigene sind bei der Impfkampagne als höchste Risikogruppe eingestuft. Wie ist da die Situation?

Viele wollen sich nicht impfen lassen, weil sie von den evangelikalen Kirchen beeinflusst werden. Diese nennen die Impfung „Teufelszeug“ und sagen, man würde ihnen einen Chip einpflanzen – um am Ende die Dosen der Indigenen für sich selbst zu sichern. Ich wurde bereits geimpft, viele aus meinem Dorf auch. Ich versuche ein Vorbild zu sein und sage: Der Teufel ist nicht die Impfung, sondern die Gewalt, die sie uns antun.

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