Internationaler Strafgerichtshof (IStGH): Das Zentrum für Weltgerechtigkeit

Kriegsverbrechen, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschheit können am IStGH verhandelt werden. Was kann er leisten, wo sind die Grenzen?

Das Gebäude des Internationalen Strafgerichtshof bei strahlen blauem Himmel

Der Internationale Strafgerichtshof: Sein Statut wurde im Juli 1998 in Rom beschlossen Foto: ap

BERLIN taz | Als die vier völkerrechtlichen Kernverbrechen „Kriegsverbrechen“, „Völkermord“, „Verbrechen gegen die Menschheit“ und „Angriffskrieg“ definierten sie juristisch erstmals 1946 die Siegermächte-Ankläger des Zweiten Weltkrieges bei den Tribunalen von Nürnberg und Tokio. Daraufhin beschloss die Generalversammlung der kurz zuvor gegründeten UNO, zur Verfolgung künftiger Verbrechen dieser Art einen global zuständigen „Internationalen Strafgerichtshof“ (IStGH) zu schaffen. Ein Ausschuss prominenter Völkerrechtler sollte ein Statut für den IStGH erarbeiten.

Doch die Umsetzung dieses Vorhabens scheiterte in den folgenden 50 Jahren am anhaltenden Widerstand der fünf ständigen, vetoberechtigten Mitglieder des UNO-Sicherheitsrates USA, Sowjetunion/Russland, Frankreich, Großbritannien und China. Denn deren Regierungen und Militärführungen mussten wegen eigener derartiger Verbrechen – in Vietnam, Algerien, Afghanistan, Nordirland und anderswo – Anklagen vor dem IStGH befürchten.

Erst nachdem der UNO-Sicherheitsrat Anfang der 1990er Jahre Tribunale zu den Kriegsverbrechen in Ex-Jugoslawien und in Ruanda eingesetzt hatte sowie unter dem Druck einer breiten internationalen Koalition von über 1.000 Nicht­re­gie­rungs­or­gani­sationen entstand eine Dynamik, die schließlich 1998 zur Schaffung des IStGH führte. Sein Statut wurde im Juli 1998 in Rom von 120 Staaten beschlossen. Lediglich sieben Länder – die USA, China, Israel, Irak, Libyen, Jemen und Katar – stimmten dagegen. 21 Staaten enthielten sich, darunter Russland, Indien, Pakistan und Nigeria. Seitdem haben 123 Staaten das Statut nicht nur unterschrieben, sondern auch ratifiziert. Sie sind damit Mitglieder des IStGH geworden und haben sich seiner Jurisdiktion unterworfen.

Der IStGH kann Verfahren gegen Personen wegen der vier Kernverbrechen durchführen, wenn nationale Gerichte nicht existieren, nicht in der Lage oder unwillig sind, bestimmte Fälle aufzugreifen. Gegen eine entsprechende Feststellung einer Prüfkammer des IStGH hat ein Staat zwei Berufungsmöglichkeiten. Der IStGH kann Verfahren sowohl zu Verbrechen in zwischenstaatlichen wie in internen Konflikten eröffnen. Verfahren vor dem IStGH sind allerdings nur möglich, wenn entweder das Tatortland oder das Herkunftsland des Beschuldigten Mitglied des IStGH ist.

USA verhängen Strafsanktionen

Falls nicht, müsste einer der beiden Staaten vorab seine Zustimmung erteilen. Sind die genannten Voraussetzungen erfüllt, können Verfahren auf Antrag einer Regierung ausgelöst werden oder auf Eigeninitiative des/der Chefanklägerin. Zu Verfahren gegen BürgerInnen von Staaten, die nicht Mitglied des IStGH sind, könnte der UN-Sicherheitsrat den Gerichtshof anweisen. Außer im Fall Sudan scheiterten entsprechende Entscheidungen bislang an Vetodrohungen der USA und Russlands.

Die USA verweigerten unter allen ihren Präsidenten seit 1998 jegliche Kooperation mit dem IStGH in Den Haag. Im September letzten Jahres verhängte die Trump-Administration Sanktionen gegen Chefanklägerin Fatou Bensouda und andere IStGH-MitarbeiterInnen, nachdem Bensouda Ermittlungen zu mutmaßlichen Verbrechen von US-Soldaten und Geheimdienstlern in Afghanistan und in anderen Ländern eingeleitet hatte.

Die Biden-Administration kritisierte die letzte Woche auf Antrag der Chefanklägerin ergangene Entscheidung einer Vorprüfungskammer des IStGH, wonach der Gerichtshof territorial zuständig ist für mutmaßliche Verbrechen aller Akteure im Konflikt Israel-Palästina. Offen ist bislang, ob Bensouda Verfahren wegen dieser Verbrechen bis zu ihrem Ausscheiden im Juni noch einleitet oder ob sie dieses heiße Eisen ihrem Nachfolger überlässt.

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