Die Wahrheit: Die Febroiden

Endlich vergeht dieser vermaledeite Monat im Lockdown mal ohne Schnupfen, Husten und Fieber vorbei. Aber das hat nicht nur Gutes.

Schnupfen, Husten und Fieber haben mir in der Vergangenheit jeden Februar vermiest. Zwar gab es auch Vorteile, wie als unangefochtene Heldin der Arbeit zunächst schniefend ins Büro zu wanken und alle Kollegen anzustecken, um dann doch mit Leidensmiene zusammenzubrechen und eine Woche lang weniger heroisch zwischen Bett und Sofa herumzuschlurfen, Tee und Wollsocken immer in Griffweite, und dabei in einer stets mitgeführten kleinen Dose das Mitleid der Umgebung einzusammeln.

Das Virus löschte jedes Mal nach drei Tagen die Erinnerung daran, wie es sich eigentlich anfühlt, gesund zu sein. In diesem Stadium guckte ich Biathlon in Dauerschleife und wusste, es würde nie aufhören, weder die folternde Fernsehsportart noch der elende Rotz.

Dank Masken und Kontaktbeschränkung ist in diesem Jahr alles anders. Nun bleiben die Atemwege trotz Schneesturm und nassen Schuhen einfach frei – wie sehr hatte ich mir das immer gewünscht! Leider hat sich inzwischen herausgestellt, dass es gar nicht um die Viren ging. In der Vergangenheit hatte ich überhaupt keine Erkältung, sondern Februar, eine bösartige Erkrankung, die auch in diesem Jahr wieder verlässlich zuschlägt.

Wahrscheinlich gehöre ich zu den Febroiden, einem Volk, dass hinter den sieben Bergen aller Gewinnmaximierung widersteht und sich immer noch heimlich einem mehrwöchigen Winterschlaf in die Arme wirft, während der Rest der Welt selbstgefällig und scheinproduktiv durch ein Katastrophen-Mischmasch tänzelt (Schneefälle, Aktienkurse, Blitzeis und Karneval).

Schließlich waren meine Vorfahren Bauern und die hatten früher im Winter Pause. Ob sie die auch schon dazu nutzten, stundenlang antriebslos auf dem Sofa herumzulungern und alle alten Folgen vom „Bergdoktor“ süchtig einzusaugen, während rundherum selbst das bisschen Restarbeit liegenblieb, ist nicht überliefert. Möglicherweise bin ja ich, die zwischen den Folgen mühelos Kurzschläfchen einwerfen kann, der leider zu wenig gefeierte Gipfel der Febroiden-Evolution? Wenn nicht gar die Gipfelin?

Nachdem ich bisher aus naheliegenden Gründen geglaubt hatte, der Name Februar leite sich vom lateinischen febris (Fieber) ab, lerne ich nun, dass „Februa“ bei den Römern ein Reinigungs- und Sühneopfer war. Na klar, auch heute noch befehlen mir höhere Mächte, das Hirn mit lots of Schrott freizuspülen. Es handelt sich um eine rituelle Reinigung des Intellekts, damit für den Rest des Jahres alles läuft. Auf das traditionelle Frauen-Auspeitschen mit Ziegenfellriemen darf inzwischen bei „Februa“ verzichtet werden; ich habe meinen Ritualberater in dieser Frage konsultiert. Außerdem stehe ich da nicht drauf und er auch nicht.

Was ich noch gelernt habe, ist, dass bei den Römern der Februar der letzte Monat des Jahres war. Voll verdient, finde ich. Immerhin ist er dafür ein paar Tage kürzer.

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Susanne Fischer schreibt Romane und Kinderbücher und arbeitet als Geschäftsführender Vorstand der Arno Schmidt Stiftung und des Deutschen Literaturfonds e.V., letzteres ehrenamtlich. (FOTO: THOMAS MÜLLER)

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kari

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